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Designierter Rektor sagt Uni Hohenheim wegen zu niedrigen Gehalts ab

Er ist bereits der zweite Kandidat, der sein designiertes Amt als Rektor der Universität Hohenheim nicht antreten wird: Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Christoph Müller fühlt sich von der Uni getäuscht: Offenbar wurde ihm in den Vorverhandlungen ein höheres Gehalt in Aussicht gestellt.

Von Thomas Wagner | 12.09.2011
    Das Schloss. Der Weg zum Rektorat in der ersten Etage führt an spätbarocken Säulen entlang und unter riesigen Kronleuchtern hindurch. Die Verwaltung der Uni Hohenheim ist ziemlich feudal in einem alten Prunkschlösschen aus dem späten 18. Jahrhundert untergebracht. Und dennoch möchte Professor Christoph Müller nun doch nicht hier einziehen - obwohl der Wirtschaftswissenschaftler aus der Schweiz vom Universitätsrat zum neuen Rektor gewählt wurde. Sein Rückzieher im letzten Augenblick hat viele im Schloss, vornehm ausgedrückt, erstaunt - auch den bisherigen Rektor Professor Hans-Peter Liebig:

    "Ich war total überrascht. Das ist genau eine Woche her, seitdem ich ein Telefonat bekommen habe, wo man mir gesagt hat, dass Herr Müller nicht antritt. Nun hab' ich mir in meiner Amtszeit aber angewöhnt, nicht mit Emotionen zu reagieren, sondern mal den Kopf zu bemühen, nachzudenken: Wie sieht das eigentlich aus? Im Vordergrund stand dann: Wie ist die aktuelle Situation? Und wie geht es weiter?"

    Weiter geht's auf jeden Fall - in diesem Fall eben noch Weilchen mit Alt-Rektor Hans-Joachim Liebig an der Spitze. Aufhorchen lässt die Begründung für die Absage des Wunschkandidaten aus der Schweiz: Hinsichtlich der Gehaltseinstufung nämlich, so heißt es in einer Mitteilung der Uni, sei mit Müller keine Einigung erzielt worden. Und weiter: "Das Gehaltsniveau im akademischen Bereich in Deutschland kann sich bei Weitem nicht mit den Bezügen in der Schweiz messen." Und auch Alt-Rektor Hans-Peter Liebig bestätigt auf Anfrage: Eine "Cash-Cow" ist die Uni beileibe nicht.

    "Wenn man Kohle macht, so heißt das heute umgangssprachlich, wird man nicht Rektor, und schon gar nicht in Hohenheim. Das weiß man. Das heißt: Wenn ich Rektor der Universität werden will, dann leiten mich andere Dinge. Dann möchte ich etwas bewegen, etwas nach vorne bringen. Darüber hinaus aber handelt es sich ja nicht um ein Armutsgehalt. Also man kann schon ganz gut leben davon."

    Wohl wahr: Die Untergrenze liegt bei 5500 Euro pro Monat, schreibt die Uni Hohenheim in einer Mitteilung. Möglich seien diverse Leistungszulagen. Die Obergrenze setzt sie bei 11.400 Euro pro Monat an; das entspricht der Besoldungsstufe B 10 im öffentlichen Dienst. Um Spitzenkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, seien noch höhere Beträge möglich. Und dennoch: Gerade unter den Studierenden, die an geringen BAföG-Sätzen und Studiengebühren zu knabbern haben, lässt sich überraschenderweise Verständnis für die Absage des designierten Rektors aus der Schweiz ausmachen.

    "Also ich finde, dass dieser Rektor aus St. Gallen eigentlich einen legitimen Anspruch auf diese Summe hat, weil er dort einen hohen Verdienst hat. Und ich finde, dass sich unsere Uni ein bisschen zu sehr windet und mit einem so kompetenten Mann einfach in Gehaltsverhandlungen zu gehen und dann später zu sagen: Wir zahlen dir's doch nicht - das find ich schon ein starkes Stück!"

    "Soweit ich weiß, war das ja so, dass ihm ja mehr Gehalt zugesprochen wurde, als er letztlich bekommen hätte. Und deswegen hat er abgesagt."

    Das genau ist der Punkt: Telefonisch war Professor Christoph Müller auf die Schnelle nicht zu erreichen, in der "Stuttgarter Zeitung" hat er sich aber zu Wort gemeldet. Ihm sei noch vor seiner formellen Bewerbung ein Gehalt in der Nähe der Besoldungsstufe B 10, also in der Größenordnung von 11.400 Euro, zugesagt worden, was übrigens spürbar unter seinem derzeitigen Salär in der Schweiz liege. Dennoch habe er zugestimmt. Und erst nach seiner Wahl sei der Gehaltsrahmen abgesenkt worden - aus seiner Sicht ein glatter Vertrauensbruch. Und so müssen die Verantwortlichen der Uni Hohenheim nun schon zum zweiten Mal hintereinander die Scherben einer missglückten Rektorwahl zusammenkehren. Vor einem Jahr bereits war ein Kandidat, der im Universitätsrat gewählt wurde, am Votum des Hochschulsenats gescheitert - was den Fokus der Diskussion nun darauf richtet, ob nicht zu viele Köche den Brei verderben - will heißen: ob der aus unabhängigen Beratern bestehende Universitätsrat überhaupt das richtige Gremium zur Wahl eines Rektors ist. Alt-Rektor Hans-Peter Liebig hat dazu eine ganz klare Meinung:

    "Wenn sie mich fragen, wie wir klassische den Begriff 'Universität' interpretieren, dann kommt da ein glattes Nein: Denn dieses müsste aus meiner Sicht aus der Universität selber kommen. Und die demokratische Legitimierung kommt hier über den Senat, ganz eindeutig. Das heißt mit anderen Worten: Ein Hochschulrat sollte verstärkt und intensiv seine Beratungsfunktion wahrnehmen. Da bin ich hundertprozentig dafür, aber nicht in diesen Fragestellungen."

    Auch der ehemalige Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz, Professor George Turner, hat in einer Stellungnahme die Kompetenzfülle der externen Hochschulräte in Baden-Württemberg kritisiert. Die sei Hauptursache für das Dilemma der Uni Hohenheim, die nun schon wieder einen neuen Rektor suchen muss.

    Anmerkung der Onlineredaktion: Die Universität Hohenheim hat in einer Pressemitteilung ihre Sicht des Vorgangs dargestellt. Wir geben sie hier im Wortlaut wieder:

    "An der Universität Hohenheim wurde am 13. Mai 2011 Herr Prof. Dr.Christoph Alexander Müller, dzt. Universität St. Gallen, Schweiz vom Universitätsrat mit großer Mehrheit gewählt und vom Senat der Universität ebenfalls bestätigt. Somit war Prof. Müller als designierter Rektor bestimmt. Offen waren hingegen noch die Bedingungen seiner Gehaltseinstufung. Die seinerzeit anvisierte Einstufung liess sich nicht realisieren.

    Wir müssen heute leider bekannt geben, dass hier keine Einigung erzielt werden konnte.

    Das Gehaltsniveau im akademischen Bereich in Deutschland kann sich bei Weitem nicht mit den Bezügen in der Schweiz messen.

    Herr Prof. Müller, Familienvater mit zwei Kindern, teilte uns heute mit, dass diese Differenz unüberwindbar sei und dass er daher das Rektoramt nicht antreten könne.

    Die Universität Hohenheim und auch die Mitglieder des Universitätsrates bedauern dies außerordentlich.

    Aus diesem Grunde wird die Position des Rektors erneut ausgeschrieben."