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Deutsch-französische Diva

In Deutschland kennen viele Ingrid Caven aus den Filmen Rainer Werner Fassbinders. Ende der 70er-Jahre wurde sie in Frankreich als Chansonsängerin und Schauspielerin ein Star. Am 3. August feiert die Diva ihren 75. Geburtstag.

Von Dirk Fuhrig | 02.08.2013
    Ingrid Cavens Bühnenauftritte sind immer ein Ereignis. Auch wenn sie rar sind.
    Die kleine Frau mit der großen Stimme entzieht sich lieber.

    " Ich bin nicht irgendwie bühnengeil oder so was (lacht). Ich lebe gerne in der Vorbereitungszeit, das habe ich sehr gerne."

    In Deutschland wurde sie zu Beginn der 70er-Jahre als Schauspielerin in Filmen von Rainer Werner Fassbinder bekannt - mit dem sie von 1970 bis 1972 sogar verheiratet war. Sie spielte bei ihm nie die tragenden Hauptrollen, aber ihre Auftritte, häufig als Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, waren Preziosen, die sich unauslöschlich einprägten. In "Satansbraten" oder "In einem Jahr mit 13 Monden".

    Zum ersten Mal sang sie in dem Film "Mutter Küsters Fahrt zur Hölle". Danach wurde sie als schräge Diva zur Protagonistin des neuen deutschen Chansons.

    "Alle Freunde haben mich immer wieder mit Marlene verglichen, obwohl wir ja in einer ganz anderen Epoche leben. Dieser abstrakte Starkult, das gibt es ja gar nicht mehr. Das ist natürlich die deutsche Sprache, die wir gemeinsam haben. Und dann vielleicht, wie man so sagt, die Backenknochen. Ich habe Filme gemacht und lebe in Frankreich. Alles andere, da müsste ich selber mal drüber nachdenken, was es da gibt. Vielleicht der starke Wunsch nach Stilisierung."

    Frankreich hat Ingrid Caven, am 3. August 1938 als Ingrid Schmidt in Saarbrücken geboren, immer weitaus stärker gehuldigt als Deutschland. Dort ist sie als Star der Filme von Daniel Schmid und Werner Schroeter ebenso legendär wie als große, als außergewöhnliche Sängerin. Yves Saint-Laurent schneiderte ihr ein schwarzes Kleid, das zu ihrem Markenzeichen als Diva wurde.

    "Also, was die Franzosen von mir sagen, ist ja, dass ich kein richtiges Chanson mache. Was die fasziniert hat, ist, dass ich die so interpretiere wie deutsche Lieder. Den Chanson-Stil haben die selber genug drauf, da brauchen die mich nicht. Ich komme ja vom deutschen Lied her. Ich habe ja als Mädchen viele deutsche Lieder gesungen, Schumann Schubert, Brahms, Hugo Wolff, später Kurt Weill."


    Ingrid Caven wohnt seit vielen Jahren in Paris, links der Seine, im eleganten Künstler- und Intellektuellen-Viertel St. Germain. Ihr Partner Jean-Jacques Schuhl ist als Schriftsteller ebenso experimentierfreudig und unkonventionell wie Caven als Sängerin. Schuhl hat seiner Lebensgefährtin ein literarisches Denkmal gesetzt. Der Roman "Ingrid Caven" wurde mit dem bedeutendsten französischen Literatur-preis ausgezeichnet. In dem Buch wird auch ihre Beziehung mit Rainer Werner Fassbinder ausgiebig thematisiert.

    "Aber während wir verheiratet waren, wollte er ja überhaupt nicht, dass ich arbeite. Schauspielerin ist ein Nuttenberuf und solche Sachen. Ein Teil von ihm hat das tatsächlich geglaubt. Ein Teil von ihm war eben bürgerlich geblieben."

    "Obwohl er homosexuell war, wollte er eine Familie haben. Er hat auch gesagt, er hatte nie Probleme mit dem Sex. Er war ja interessant genug für mich. Ich hab dann allerdings gedacht, ich könnte auch so meine Freiheiten haben. Das war dann weniger der Fall. Und deshalb bin ich dann ja auch weggegangen. Aber dann in der Freundschaft war das bis zu seinem Tod sehr angenehm."

    Ingrid Caven, auf der Bühne oft exzentrisch und hochgradig kunstverliebt, schätzt im Gespräch die unverblümte Sprache. Sie engagiert sich für die Rechte von Homosexuellen und hat sich in den Streit um den Fassbinder-Nachlass eingemischt. Die musikalisch innigste Beziehung hatte sie immer zu Peer Raben - der die Musik zu so vielen Filmen, nicht nur von Fassbinder, geschrieben hat. Ingrid Caven komponierte er "Die großen weißen Vögel" auf den Leib.

    Der Song hat nicht nur viele Chansonsänger fasziniert. Sondern auch die Hamburger Deutschrocker "Tocotronic". Die spielen die "Weißen Vögel" gerne mal live. Und haben auch ein Video aufgenommen, mit ihr in der Hauptrolle. Ingrid Caven, das ist bis heute große Geste und ironische Brechung zugleich - eine deutsche Diva mit Ecken und Kanten.

    "Ich arbeite mit Distanz und Stil. Wenn das in Verbindung steht zu dem, was man im Leben versucht zu tun und zu denken und zu fühlen, und man das Leben nicht ausschaltet wie in den meisten Berufen, dann hat man die Chance, dass da etwas sehr viel Lebendigeres durchkommt als bei direkten Sachen, die man so auskotzt oder macht."