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Deutsche Bahn elektrifiziert Regionalzüge
Lautlos durchs Erzgebirge

Die roten, dieselbetriebenen Regionalzüge der Deutschen Bahn sind nicht gerade bekannt für leise Töne. Der Konzern will nun Abhilfe schaffen: Gemeinsam mit sächsischen Forschern und Mittelständlern hat er einen dieselelektrischer Hybrid-Antrieb entwickelt. Als erstes wird die Erzgebirgsbahn umgerüstet.

Von Bernd Schlupeck | 30.11.2016
    Ein Dieseltriebwagen der Erzgebirgsbahn überquert Eisenbahnviadukt in Cranzahl (Sachsen).
    Erzgebirgsbahn in Cranzahl (Sachsen) (dpa/picture alliance/Jan Woitas)
    Die ehemalige Reparaturhalle der Deutschen Reichsbahn in Chemnitz ist schon arg heruntergekommen. Doch auch wenn es nicht so aussieht: Hier wird an der Zukunft der Deutschen Bahn gearbeitet, genauer an einem dieselelektrischen Antrieb für die roten Regionalzüge, Typ Desiro, die bisher nur mit Dieselmotoren angetrieben werden. An dem Projekt namens EcoTrain beteiligt, ist Sören Claus - rote kurze Haare, runde Brille, funkelnde Augen - eigentlich Diplom-Kaufmann bei der Bahntochter DB Regio Netzsysteme.
    "Das ist jetzt hier die Werkstatt der Erzgebirgsbahn. Und die Halle dient auch dazu, den Ecotrain umzubauen. Sie sehen: Hier vorn steht der, ist vollkommen eingerüstet. Ja, wir gucken vielleicht erst mal innen rein.
    Sören Claus betritt einen Zug, der kaum als solcher zu erkennen ist: Kabel hängen herunter, Fenster und Sitze fehlen; wo sonst der PVC-Böden verlegt ist, quillt die Dämmung hervor.
    "Wie Sie sehen komplett entkernt. Es bleibt von dem Zug am Ende nichts weiter übrig als die Hülle, auch im Führerstand ist relativ alles auseinander gebaut. Die neue Technik braucht ihren Platz und auch die neue Klimaanlage mit Wärmepumpenfunktion erfordert umfangreiche Umbauarbeiten im Wagenbereich."
    Der Zug-Hybrid funktioniert ähnlich wie der beim Auto
    Löcher in Boden und Dach lassen erahnen, wo später neue Kabel zum Elektromotor, den Versorgungsaggregaten und Klimageräten verlaufen sollen. Neue Klimatechnik und Transformatoren, die auf das Dach sollen, liegen im hinteren Teil der Halle. Der Elektromotor und die zweieinhalb Tonnen schweren Lithium-Ionen-Akkus werden gerade beim Industriepartner Voith getestet. Wie der Hybridantrieb funktioniert, erklärt Sören Claus wenig später in seinem Büro.
    "Wir haben beim klassischen Desiro zwei Mal 275 Kilowatt Antriebsleistung, jeweils an den Triebköpfen. Das haben wir reduziert auf einmal 390 Kilowatt. Und den Rest bringen die Elektromotoren mit dem Lithium-Ionen-Speicher mit bis zu 150 Kilowatt Speicherinhalt. Sodass wir eine Antriebsleistung von maximal 600 Kilowatt zur Verfügung haben."
    Prinzipiell funktioniert der Zug-Hybrid ähnlich wie der beim Auto. Das heißt: Fährt der Ecotrain an, geschieht das rein elektrisch mit Elektromotor und Energie aus der Batterie. Nach kurzer Strecke übernimmt der Dieselmotor. An Krankenhäusern, Wohnsiedlungen oder Kopfbahnhöfen kann in den leisen Elektrobetrieb umgeschaltet werden. Muss der Zug bremsen oder fährt bergab, wird verbrauchte Speicherenergie zurückgewonnen. Damit das zuverlässig klappt, wurde im Projekt ein neues Energieeffizienzmodul entwickelt.
    "Wir haben ein eigens entwickeltes Fahrplanassistenzsystem, wo letztlich Fahrplanoptimierung auf Basis von Energieflüssen durchgeführt wird. Wenn es zu einer Bremsung kommt - wir haben im Durchschnitt alle drei, vier Kilometer Haltepunktabstand im Nahverkehr - kommt Energie zum Nachladen. Dann werden die Batteriespeicher wieder aufgefüllt beziehungsweise wir versorgen die Nebenverbraucher. Nebenverbraucher sind die Klimaanlage und die Heizung. Das sind aber auch Lüfter, Licht und der Luftpresser, der Zug bremst ja pneumatisch, und so weiter.
    25 Prozent CO2-Einsparung
    "Ausschließlich mit Strom aus der Konserve käme der Zug momentan mindestens 20 Kilometer weit", sagt Sören Claus. Seine Vision ist: ein weiteres Batteriepack einbauen und ganz auf den Dieselmotor zu verzichten. Dafür soll künftig ein Pantograf integriert werden - also ein Stromabnehmer zum Nachladen. Bis dahin muss sich aber erst einmal das Konzept in der Praxis bewähren. Der Diplom-Kaufmann ist überzeugt:
    "Wir werden eine CO2-Einsparung erreichen, die wird im Fahrbetrieb bei 25 Prozent liegen. Da kommen noch Anteile aus dem Rangier- und Standbetrieb dazu. Und dann werden wir über 30 Prozent kommen."
    Der dieselelektrische Antrieb könnte sich also auszahlen. Schließlich läuft ein Zug, Modell Desiro, pro Jahr im Nahverkehr 160.000 Kilometer. Ende 2017 soll der Ecotrain zugelassen werden. Dann plant die Bahn eine Kleinserie von 12 Zügen. Bei Erfolg könnten 230 Regionalbahnen und Regionalexpresse in Deutschland umgerüstet werden. In Europa und bei Konkurrenten weitere 400.