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Deutscher Karikaturenpreis
Online-Petition gegen Brokkoli

"Klickst Du noch richtig?" - unter diesem Motto standen die Zeichnungen, die in Dresden mit dem Deutschen Karikaturenpreis 2013 ausgezeichnet wurden. Detlef Beck, Volker Kischkel und Dorthe Landschulz belegten die ersten Plätze.

Von Nadine Lindner | 18.11.2013
    Das, was sich so anhört, wie eine ganze Band, zaubert der Musiker Lukas Fröhlich ganz allein zusammen. Seine Zutaten: eine Trompete, ein Aufnahmegerät und seine Fähigkeit, mit dem Mund Rhythmen zu erzeugen, die sich anhören, als kämen sie direkt vom Schlagzeug.
    Der Beatboxer, ein unterhaltsamer Einzelkämpfer, wie auch die Zeichner, die in Dresden mit dem Deutschen Karikaturenpreis 2013 ausgezeichnet wurden. Das Thema in diesem Jahr: "Klickst du noch richtig?" – über den Sinn und Unsinn des Internets.
    Eine der Preisträgerinnen ist die 37-jährige Dorthe Landschulz. sie bekommt den dritten Preis für ihr Werk "Online-Petition":
    "Also da sitzt ein kleiner Junge am Tisch, gegenüber von seiner Mutter. Vor ihm liegen Brokkoli und er sagt: Meine Online-Petition gegen Brokkoli hat schon 100.000 Unterschriften. Und seine Mutter sagt: Das ist mir scheißegal, du isst, was auf den Tisch kommt. Und die Zeile darunter lautet: Max musste früh feststellen, dass die Macht von Online-Petitionen begrenzt ist."
    Wer sich regelmäßig im Internet beziehungsweise in den sozialen Netzwerken bewegt, kennt vielleicht die Facebook-Seite von Dorthe Landschulz "Ein Tag – ein Tier". Die Zeichnerin nutzt das Internet ganz bewusst, um herauszufinden, welche Pointe zündet und welche nicht.
    "Klickst du noch richtig?" – bei der Wahl des diesjährigen Mottos war man sich sehr schnell einig, erklärt Peter Ufer von der Sächsischen Zeitung. Er ist Mit-Initiator des Preises und Jury-Mitglied.
    "Im Grunde liegt es auf der Hand. Es bewegt uns ja jeden Tag, wenn wir unsere Kinder anschauen oder wenn wir uns selber anschauen. Was könnten wir überhaupt noch tun ohne Internet, ohne Digitalisierung. Und das haben wir überlegt, das ist manchmal so schlimm, dass man dem anderen sagt, Mensch, klickst du eigentlich noch richtig?"
    Durch die internationale Geheimdienstaffäre hat das Thema noch einmal an Aktualität gewonnen.
    "Und dass dann noch im Laufe des Jahres die Geheimdienstaffäre dazu kommt, konnten wir natürlich nicht ahnen. Aber da haben wir gemerkt, wir liegen richtig."
    Ein humoristisches Urgestein auf der Bühne des Schauspielhauses in Dresden ist Laudator Tom Pauls. Schauspieler und Sachse durch und durch. Jetzt steht er als Omi verkleidet auf der Bühne – euphorisch empfangen vom Publikum:
    "Wir sagen ja Pfarrer, wir sind ja hier in Sachsen. Da sagen wir nicht Pastor, sondern Pfarrer. Wir sind ja hier protestantisch bis nunter in die Knochen. Und dieser Typ sagt nun: Jetzt habe ich Gott gelöscht. Sag mal, hat dieser Schwarzkittel vielleicht den Beruf verfehlt?"
    Tom Pauls hält die Laudatio für "Mock"
    Eine liebevolle, eine launische Laudatio für den zweiten Preisträger des Wettbewerbs. Für die Arbeit "Gott" bekommt der Zeichner Volker Kischkel alias "Mock" den silbernen Bleistift. Der Publikumspreis für die beliebteste Arbeit aus dem Vorjahr geht an Denis Metz.
    Ein Pfarrer sitzt vor seinem Laptop und sagt: "Verflucht, jetzt habe ich GOTT gelöscht."
    Karikatur "Gott" von Volker Kischkel (Deutscher Karikaturenpreis 2013)
    172 Künstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten sich in diesem Jahr mit über 700 Arbeiten beteiligt. Der Karikaturenpreis wird seit dem Jahr 2000 verliehen und hat sich zu einer der wichtigsten Auszeichnungen für Karikaturisten im deutschsprachigen Raum entwickelt.
    Im 14. Jahr gibt es einige Neuerungen: So geht der Jugendpreis an George Riemann. Für seine Arbeit "Devolution" erhält er ein liebevoll gebautes Buntstiftmonster.
    Erster Platz für Detlef Beck

    Gestarrt wird auch in dem Siegerbeitrag, der mit dem Goldenen Bleistift geehrt wird. Der Zeichner Beck schlägt vor, das Smartphone einfach durch eine Tafel Schokolade zu ersetzen. Auch auf die könne man starren.
    Eine Idee, wegen der sich Laudator Tom Pauls – diesmal als Psychologe – ernsthaft sorgen um den Künstler macht:
    "Unser Preisträger, im Folgenden kurz Patient genannt, lebt in einer eigenen, irren Wahnwelt."
    Ein Mann steht am Bahnsteig und hält eine Tafel Schokolade vor sich, als schaue er auf sein Smartphone.
    Karikatur "Sozialer Netzwerker" von Detlef Beck (Deutscher Karikaturenpreis 2013)
    Der Leipziger Detlef Beck zeichnet für "Die Zeit", die "taz" oder den "Eulenspiegel". In Sachen Karikaturenpreis ist er Routinier, hat er doch den ersten Platz bereits 2003 und 2007 belegt.
    "Klickst du richtig?" – bei dieser Frage hat Beck den richtigen Nerv getroffen. Vielleicht auch, weil der Zeichner selbst Smartphones hasst:
    "Ich hab mich halt gefragt, was macht der arme Bürger, so wie ich, der keins hat. Die wollen doch auch mal dazugehören. Und dann kam mir die Idee, das einfach mal so zu machen: Kleine Tipps für Bürger ohne Smartphone."
    Und die nächste Neuerung beim Karikaturenpreis war ein kleines Experiment: Nach der Ehrung konnten alle mutigen Zuschauer ihre warmen Theatersitze verlassen und vor der Tür mit einer Tafel Schokolade bewaffnet die Siegerarbeit nachstellen. Erwachsene Menschen, die bei winterlichen Temperaturen auf eine Tafel Vollmilch Schokolade starren, drüber wischen oder scherzhaft versuchen, ihren Pin-Code einzugeben. Eigentlich ein klarer Fall für den Psychologen Tom Pauls.
    Wichtiger Teil des Karikaturenpreises ist auch die Ausstellung mit den besten Arbeiten der teilnehmenden Künstler. Bis Februar können Karikaturfreunde die Zeichnungen im Haus der Sächsischen Zeitung in Dresden begutachten. Ab März ist die Ausstellung in Hamburg zu sehen. Dann garantiert auch drinnen im Warmen.