Freitag, 03. Mai 2024

14. Oktober 2023
Die internationale Presseschau

Der Krieg im Nahen Osten mit der offenbar bevorstehenden israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen dominiert in vielen Zeitungen weltweit.

14.10.2023
Das Foto zeigt eine Familie auf einem Eselkarren auf dem Weg vom Norden des Gazastreifens in den Süden.
Palästinenser verlassen Norden des Gazastreifens. (AFP / MAHMUD HAMS)
Die türkische Zeitung TIGRIS HABER meint: "Wenn man sich die gegenwärtige Lage im Nahen Osten anschaut, kann man nur in Pessimismus verfallen. Es werden noch mehr Menschen getötet, viele werden aus ihrer Heimat vertrieben. Was wird das Ergebnis dieses Kriegs zwischen Israel und der Hamas sein? Könnte der Konflikt zu einem dritten Weltkrieg führen? Das ist nicht klar. Nur bietet der Konflikt die Grundlage für die Verschiebung der Grenzen und vielleicht auch zur Bildung neuer Staaten. Wir werden sehen, wer im Sumpf des Nahen Ostens untergehen wird und wer unbeschadet herauskommt", bemerkt TIGRIS HABER aus Diyarbakir.
In einem Kommentar der NEW YORK TIMES heißt es: "Dieser Krieg zwischen Israel und der Hamas ist Teil einer sich entwickelnden Eskalation des Wahnsinns, die in dieser Nachbarschaft im Gange ist, aber jedes Jahr gefährlicher wird, da die Waffen größer, billiger und tödlicher werden. Israel hat einen vernichtenden Schlag erlitten und ist nun gezwungen, einen moralisch unmöglichen Krieg zu führen."
"Die Frage ist: Was erreicht Israel mit einer Bodeninvasion?", überlegt die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANKT: "Denn selbst wenn es Israel gelingt, die Hamas zu zerschlagen, wird das den palästinensischen Widerstand nicht ausmerzen. Je stärker Unterdrückung und Demütigung zunehmen, desto radikaler wird die nächste Generation des palästinensischen Widerstands sein. Die Palästinenser werden ihre Rechte auf das Land - zumindest auf einen Teil davon - niemals aufgeben, auch wenn eine Zwei-Staaten-Lösung inzwischen fast unmöglich geworden ist. Angesichts dieser Sackgasse ist die Welt nach Jahren des Wegschauens nun gezwungen, sich mit der eigentlichen Ursache der Gewaltexplosion auseinanderzusetzen: der ungelösten 'Palästina-Frage'", analysiert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Der britische TELEGRAPH notiert: "Der Krieg zwischen der Hamas und Israel fällt in eine Zeit ungewöhnlicher internationaler Instabilität. Wladimir Putins Invasion in der Ukraine geht weiter. China unter Xi Jinping steht der demokratischen Welt nun offen feindselig gegenüber und bereitet sich möglicherweise auf eine Invasion oder anderweitige Übernahme Taiwans vor. Der Iran nutzt seine Stellvertreter im Nahen Osten, um Terror zu verbreiten und Zwietracht zu säen. Russland, China und der Iran haben ein gemeinsames Interesse daran, den Westen zu untergraben. Unter diesen Umständen gewinnt die Unterstützung Israels durch den Westen noch mehr an Bedeutung. Insbesondere die Vereinigten Staaten haben sich robust gezeigt. Aber wie viele dieser sich überschneidenden, gelegentlich ineinander greifenden Krisen kann Washington wirklich bewältigen? Die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr sind angesichts der zunehmend zerstrittenen Politik Amerikas ein möglicher Anlass zur Sorge." So weit der TELEGRAPH aus London.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm kritisiert: "Meinungen über Israel haben Meinungen über die Hamas oft verzerrt. Ja, gewiss, die Hamas ist schlimm, aber Israel hat ja auch … Was heißt da 'aber'? Die Hamas ist eine Terrororganisation. Nach 9/11 sollte niemand jemals wieder den radikalen Islamismus unterschätzen. Israel genießt zurecht die Solidarität der Welt für die Grausamkeiten der letzten Tage."
In einem Kommentar der JERUSALEM POST werden westliche Solidaritätsbekundungen für die Palästinenser in den Blick genommen: "Wie kann man die Ermordung von mehr als 1.200 Menschen, sexuelle Übergriffe auf Frauen, das Enthaupten von Babys und das Anzünden unschuldiger Kinder rechtfertigen? Die Frage kommt auf, wenn man westliche, pro-palästinensische Akademiker auf Demonstrationen für die Hamas sieht. Warum können diese Menschen nicht begreifen, dass die jüngsten Anschläge der Hamas nichts mit Kolonisierung, Besatzung, Unterdrückung zu tun haben - oder gar mit der Angst, dass Israel ein Friedensabkommen mit Saudi-Arabien schließen und die Palästinenser zurücklassen könnte? Das Massaker gegen Israel hat seine Wurzeln in der tödlichen, radikalen Ideologie der Hamas. Wer etwas anderes glaubt, glaubt den Lügen", ist in der JERUSALEM POST zu lesen.
Die Zeitung THE TIMARU HERALD aus Neuseeland unterstreicht: "Es ist nicht nur möglich, sondern absolut notwendig, dass wir mit den einfachen Palästinensern in Gaza mitfühlen und gleichzeitig die Hamas, die sich der totalen Zerstörung Israels verschrieben hat, aufs Schärfste verurteilen. Die Hamas ist berüchtigt dafür, dass sie Orte wie Schulen, Krankenhäuser und Moscheen als militärische Einrichtungen nutzt. Indem sie Israel mit Terror überzogen hat, hat die Hamas auch die Zivilbevölkerung in Gaza mit Terror überzogen. Die Hamas wusste, dass Israel sich für diese Angriffe brutal rächen würde. Sie wusste, dass Tausende palästinensische Männer, Frauen und Kindern in einem dicht besiedelten Gebiet, in dem es keine Unterscheidung zwischen ziviler und militärischer Infrastruktur gibt, getötet werden würden. Aber wie viel Rache ist genug? Wann endet sie? Bleibt es bei der Vernichtung der Hamas-Führung oder geht es noch weiter?", fragt der TIMARU HERALD.
Die algerische Zeitung L'EXPRESSION bewertet die Lage so: "Die palästinensische Enklave ist auf dem besten Weg, sich in einen riesigen Trümmerhaufen zu verwandeln. Im Fall dieses schrecklichen, unsäglichen israelischen Angriffs auf unschuldige Opfer darf es keine andere Bezeichnung geben als die des Völkermords. Verübt von Benjamin Netanjahu und allen Offizieren und Soldaten, die an diesem Massaker teilnehmen. Es ist auch nicht das erste in der Geschichte des Staates Israel. Alle Zionisten, die heute zum Mord an Palästinensern aufrufen, verdienen es, wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt zu werden." Das schreibt die Zeitung L'EXPRESSION aus Algier.
Die Zeitung DAWN aus Pakistan sieht es ähnlich: "Israel hat über eine Million Bewohner des nördlichen Gazastreifens zur Evakuierung aufgefordert, da eine Bodeninvasion in das belagerte Gebiet unmittelbar bevorsteht. Die bittere Wahrheit ist jedoch, dass die Bevölkerung des Gazastreifens nirgendwo hin fliehen kann. Eine positive Entwicklung in diesem Albtraumszenario ist, dass ehemalige Feinde innerhalb der muslimischen Welt ihre Differenzen beiseite gelegt haben, um ihre Stimme für die Palästinenser zu erheben. Die muslimischen Staaten müssen erst einmal geschlossen auftreten und sicherstellen, dass humanitäre Hilfe die belagerte palästinensische Bevölkerung erreicht. Darüber hinaus müssen die Länder mit Verbindungen zu den USA und Europa sowie mit Beziehungen zu Israel ihren Partnern unmissverständlich klar machen, dass dieses brutale Vorgehen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung sofort aufhören muss", ist in der Zeitung DAWN aus Karachi.
Die Zeitung AL AYYAM aus dem Westjordanland nimmt einen ganz anderen Aspekt in den Blick: "Allein während der sechstägigen Bombardierung des Gazastreifens wurden etwa 4.000 Tonnen Sprengstoff abgeworfen. Es handelt sich um gefährliche Stoffe aller Art, die ihren Weg in den Boden, die Luft, das Wasser und die Nahrung und letztlich in Menschen selber finden. Schon bislang waren die Umweltbedingungen im Gazastreifen und die damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen in Form von Krankheiten und Todesfällen düster, insbesondere mit Blick auf die Wasserquellen. Zu befürchten ist, dass die Fruchtbarkeit des Bodens immer geringer wird. Der Gazastreifen ist eines der am dichtest besiedelten Gebiete der Welt. Letztlich bedeuten die Angriffe, dass die Lebensgrundlagen dort immer weiter schwinden", erwartet AL AYYAM aus Ramallah.