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Die Nadel im Heuhaufen

Bei keinem anderen Lebensmittel lässt sich die Herkunft so präzise nachvollziehen wie bei einem Ei. Denn seit 2004 muss jedes Ei mit einem Herstellercode versehen sein, dadurch kann der Verbraucher nun auch ablesen, aus welchem Land sein Ei kommt und ob die Henne freilaufend oder in einer Legebatterie lebt.

Von Anette Eversberg | 07.01.2011
    Beim Ei lässt sich die Dioxinspur also recherchieren, doch das dioxinbelastete Futtermittel ist auch an Schweinemastbetriebe geliefert worden. Und da ist schwierig, nachzuvollziehen, wohin das möglicherweise dioxinbelastete Schweinefleisch geliefert worden ist. Denn beim Fleisch, Rinder ausgenommen, ist die Kennzeichnungspflicht nicht so lückenlos, wie allgemein angenommen.

    Seit der BSE-Krise in den 90er-Jahren hat die EU die Etikettierung von Rindfleisch vorgeschrieben. Danach muss klar sein, in welchem Land das Tier geboren, gemästet und geschlachtet wurde. Darauf haben sich die Verbraucher eingestellt. Sabine Klein von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

    "Die Verbraucher erwarten, dass gerade das Rindfleisch aus der Ladentheke bis zum landwirtschaftlichen Betrieb zurückverfolgt werden kann, und teilweise erwarten sie, dass sogar das Einzeltier ermittelt werden kann."

    Einen Anspruch darauf, dass ein Metzger ihnen genau sagen kann, von welchem Hof das Rind stammt, haben Verbraucher allerdings nicht. Der Wunsch des Verbrauchers und die Wirklichkeit der EU-Bestimmungen klaffen weit auseinander. Das haben die Verbraucherzentralen bei ihren Untersuchungen herausgefunden. Zwar ist die Etikettierung bei Rindfleisch weitreichend. Bei Schweinefleisch sieht es völlig anders aus, betont Sabine Klein:

    "Bei Schweinefleisch gibt es überhaupt keine Verpflichtung zur Herkunftsangabe. Es sei denn - und das tun einzelne Hersteller - die geben das freiwillig hat, aber die EU hat hier keine Herkunftskennzeichnungspflicht erlassen."

    Dort, wo eine Rückverfolgung möglich ist, bei sogenannten Markenfleischprogrammen zum Beispiel, musste vonseiten der Fleischwirtschaft kräftig investiert werden: feste Verträge mit Landwirten, elektronische Datenerhebung, interne Qualitätskontrollen. Das alles ist aufwendig und teuer. In dem meisten Fällen -so die Verbraucherschützerin - werden Einzeltiere deshalb nicht erfasst. Weder bei Rindern noch bei Schweinen und Geflügel.

    "Denn in der Regel werden schon auf Zwischenstufen, also schon am Schlachthof und in den Zerlegebetrieben, sogenannte Chargen gebildet. Wenn ein Schlachthof an einem Tag Schlachttiere von mehreren landwirtschaftlichen Betrieben geliefert bekommt, dann fasst er diese zu einer Charge zusammen. Der Zerlegebetrieb bildet wieder Chargen aus den Lieferungen verschiedener Schlachthöfe. Das Ganze fächert sich dann auf zu einem weitverzweigten Baum, wo man quasi als Überwachung alle Enden überprüfen müsste, um die Verursachung eines eventuellen Problems dann zu ermitteln."

    Hühner oder Puten in Deutschland zurückzuverfolgen, ist fast wie das Suchen der berühmten Nadel im Heuhaufen. Nur wenn sie aus Drittländern kommen, gibt es einen Hinweis darauf, ob sie aus China oder Thailand stammen. Das ist auch einer der Gründe, warum die Überprüfung durch die Veterinär- und Lebensmittelbehörden so lange dauert. Die arbeitsteilige Produktion von Nahrungsmitteln ist inzwischen genauso komplex, wie die Herstellung eines Autos. Weil auch der Fleischmarkt längst ein globaler Markt ist, müssen die Überwachungsbehörden mit den globalen Anforderungen zurechtkommen. Wenn sich herausstellen sollte, dass Schweinefleisch oder Geflügelfleisch mit Schadstoffen belastet ist. Dann muss man genauso wie im Inland die einzelnen Stufen der Produktion zurückzuverfolgen. Zunächst bis zum Schlachthof. Sabine Klein:

    "Wenn dieser Schlachthof dann in Indien war, dann müssen die Behörden tatsächlich am indischen Schlachthof gucken, woher wurden die Schweine bezogen. Also es muss dann bis ins Herkunftsland, auch wenn es außerhalb der Europäischen Union ist, ermittelt werden. Nur das Ganze wird unendlich lange dauern."

    Den Futtermittelieferanten hat man dann noch lange nicht ermittelt. Je weiter verzweigt die Handelswege sind, desto aufwendiger ist die Suche. Und solange liegt das Problem aus der Sicht von Sabine Klein beim Verbraucher.

    "Man weiß ja nicht, wohin die Verursacher, die man möglicherweise ermittelt hat, noch überall hin ihre Ware geliefert haben. Wir sehen es ja im aktuellen Dioxin-Skandal, dass es doch lange dauert und immer wieder nach Wochen noch neue Betriebe und Lebensmittel bekannt werden, die letztendlich auch verbunden sind mit einem Problem bei einem einzigen Verursacher. Bis dann alle letztendlich belasteten Lebensmittel im Handel zurückverfolgt worden sind, das wird Wochen bis eventuell Monate dauern."