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Die neue Platte
Strauss von Zarathustra bis Till Eulenspiegel

Im Vorfeld des 150. Geburtstags von Richard Strauss am 11. Juni 2014 bringen die Plattenfirmen etliche Neuerscheinungen auf den Markt. Darunter Liveaufnahmen der Berliner Philharmoniker und des Pittsburgh Symphony Orchestra.

Von Jochen Hubmacher | 01.12.2013
    Einleitung - Also sprach Zarathustra, op. 30 Berliner Philharmoniker
    Die Einleitung aus "Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss. Es ist eine Ironie der Musikgeschichte, dass ausgerechnet die Tondichtung, in der sich Strauss mit der Philosophie von Friedrich Nietzsche auseinandersetzt, seit Jahren als Klangteppich für einen Bierwerbespot verwendet wird. Während ein gutes Pils lediglich drei Minuten braucht, muss der Hörer für den kompletten Zarathustra schon gut und gerne das Zehnfache an Zeit investieren. Dass sich das auch jenseits der legendären Einleitungstakte durchaus lohnt, zeigt eine kürzlich beim Label Deutsche Grammophon erschienene Liveaufnahme mit den Berliner Philharmonikern. Am Dirigentenpult steht der venezolanische Charismatiker Gustavo Dudamel.
    Tanzlied - Also sprach Zarathustra, op. 30 Berliner Philharmoniker
    Im "Tanzlied“ aus der sinfonischen Dichtung "Also sprach Zarathustra“ von 1896 steht Richard Strauss schon mit einem Bein in der walzerseligen Klangwelt seiner erst 15 Jahre später uraufgeführten Erfolgsoper "Der Rosenkavalier“.
    Gustavo Dudamel, der junge Dirigentenstar aus Südamerika, der die Berliner Philharmoniker hier leitet, zeigt wieder all das, wofür ihn das Publikum weltweit liebt. Im CD-Booklet kann man sich ein Bild davon machen, wie er mit vollem Körpereinsatz das Orchester zu großen Emotionen anspornt und seine Philosophie vom ungebremsten Spaß am Musikmachen zelebriert. Will Dudamel jedoch irgendwann tatsächlich einmal ein ganz großer Dirigent werden, müsste er allmählich verstehen, dass das, was bei einem Jugendorchester hervorragend klappen kann, nämlich Musik und Musiker in erster Linie über die Gefühlsebene anzupacken, bei einem Weltklasseensemble wie den Berliner Philharmonikern nur bedingt funktioniert. Eine etwas sorgfältigere, analytischere Herangehensweise hätte der Aufnahme jedenfalls gut getan. Insbesondere was die Dynamikabstufungen angeht, steht in der Partitur sehr viel mehr drin, als auf der CD letztlich zu hören ist. Es entsteht der Eindruck, dass Dudamel mit seiner auf emotionale Überwältigung angelegten Interpretation höchstens 80 Prozent des musikalischen Potenzials der Berliner Philharmoniker abruft.
    Neben „Also sprach Zarathustra“ finden sich auf der vorliegenden Liveeinspielung noch zwei weitere Tondichtungen aus der Feder von Richard Strauss: "Till Eulenspiegels lustige Streiche“ und "Don Juan“. Anhand dieser beiden Stücke lässt sich ein spannender Vergleich ziehen zu einer Liveaufnahme des Pittsburgh Symphony Orchestra, die kürzlich beim US-amerikanischen Fresh-Label erschienen ist. Der Chefdirigent dieses Spitzenensembles heißt Manfred Honeck. Bis 2011 war der Österreicher noch als Generalmusikdirektor an der Staatsoper in Stuttgart aktiv. Seine Richard Strauss-Interpretation mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra überzeugt neben handwerklicher Perfektion durch eine gelungene Mischung aus Emotionalität und kluger Analyse der musikalischen Strukturen.
    Don Juan, op. 30 Pittsburgh Symphony Orchestra
    Einziges aber gewichtiges Manko der Richard Strauss-CD mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra ist das Klangbild der Aufnahme. Die Blechbläser kommen oft sehr scharf daher, dem gesamten Orchester fehlt einiges von jener Wärme und Brillanz, von der viele Zuhörer schwärmen, die das Ensemble schon einmal live erlebt haben. Fazit: Das hier aufgenommene Konzert hätte man sicher gerne in der Heinz Hall in Pittsburgh miterlebt - die Mitschnitt-CD muss man sich jedoch nicht zwingend ins heimische Regal stellen.
    Till Eulenspiegels lustige Streiche, op. 28 Pittsburgh Symphony Orchestra
    Was die Aufnahmequalität angeht, punktet ganz klar die Strauss-Aufnahme der Berliner Philharmoniker mit Gustavo Dudamel. Anders als Manfred Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra, das wir gerade gehört haben, nimmt sich Dudamel fast anderthalb Minuten mehr Zeit für den "Till Eulenspiegel“. Vor allem die dramatische Stelle, wenn der notorische Tunichtgut Till am Galgen endet, kostet Dudamel besonders großzügig aus.
    Till Eulenspiegels lustige Streiche, op. 28 Berliner Philharmoniker
    Liveaufnahmen mit Tondichtungen von Richard Strauss habe ich Ihnen in der heutigen neuen Platte vorgestellt. Die CD mit Gustavo Dudamel und den Berliner Philharmonikern ist bei der Deutschen Grammophon erschienen und der Konzertmitschnitt des Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck beim US-amerikanischen Fresh-Label. Am Mikrofon verabschiedet sich mit Dank fürs Zuhören Jochen Hubmacher.