Im Kölner Polizeipräsidium stehen die Zeichen auf Veränderung. "Wir haben im vergangenen Jahr die Öffentlichkeits- und Pressearbeit zusammengelegt, weil man die Dinge heute nicht mehr voneinander trennen kann", erklärt Pressesprecher Wolfgang Baldes. Zusammengefunden haben die Bereiche in einem gemeinsamen Großraumbüro. Ein bisschen chaotisch sehe es noch aus, meint Baldes. Für den Besucher fällt neben Köln-typischen Hinweisen auf FC und Karneval vor allem auf: ein heller Raum, der Transparenz vermitteln soll.
Anfang 2016 übernahm ein neuer Präsident die Behörde im Kölner Stadtteil Kalk. Nachdem zuvor in der Silvesternacht die Polizei zunächst massenhaften sexuellen Übergriffen in der Innenstadt hilflos, weil mit viel zu wenig Personal begegnet war - und sie dann später auch noch öffentlich falsch darstellte; in einer ersten Pressemittelung war von "ausgelassener" und einer "weitgehend friedlichen Stimmung" die Rede gewesen. Im Jahr darauf konnten ähnlich große Pannen zwar verhindert werden. Doch wieder gab es Kritik, von Politikern und Journalisten: Diesmal an der Verwendung des Begriffes "Nafris" auf Twitter, einer eigentlich nur polizeiinternen Bezeichnung für "nordafrikanische Intensivtäter". Ein Fehler, wie die Verantwortlichen später einräumten - und unter anderem den Schluss zogen: "Dass wir uns nicht auf Behördensprache zurückziehen - allerdings auch nicht kumpelhaft und mit diesen Abkürzungen."
Fluch und Segen
Insgesamt drei Webmaster hat die Kölner Polizei; so nennt sie die Beamten, die sich um die Social-Media-Arbeit der Behörde kümmern. Stefan Hugo ist einer von ihnen, mit rund 110.000 Followern auf Facebook und Twitter, wenn er im Einsatz ist. Vor allem gehe es darum, die Pressemittellungen des Hauses zu verbreiten, sagt Hugo. Moderation? Nur bei Beleidigungen und Hinweisen auf Straftaten. Persönliche Gefühle? Hinten anstellen."Ich gehe da schon nüchtern mit um. Bei mir ist das eher so, dass, wenn ich aus der Türe gehe, ich mir da keine Gedanken mehr darüber mache, was die Leute da geschrieben haben."
Die neuen medialen Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit seien Fluch und Segen zugleich, sagt Pressesprecher Wolfgang Baldes. Einerseits müsse die Polizei tag-täglich mit der Verbreitung von Falschinformationen umgehen. Denn dann sei man gefragt, "den Duck aus dem Kessel lassen zu müssen und zu sagen, diese Information ist möglicherweise gar nicht richtig".
Andererseits gebe es auchSachdienliches, wenn beispielsweise auf Straftaten hingewiesen werde. Und zudem habe man es in der Hand, die Öffentlichkeit ohne den Umweg über Journalisten informieren zu können.
DJV: Journalisten sind gefordert
Doch genau darin sieht Frank Überall, früher selbst Polizeireporter und heute Vorsitzender der Journalistengewerkschaft DJV, die größte Herausforderung: "Dass wir bisher Polizeimeldungen privilegiert glauben und sie einfach so weitertransportieren konnten. Und da sind wir oft nicht so richtig gewohnt, dass wir da noch mal querrecherchieren müssen." Doch genau das müssten Journalisten immer mehr tun. "Bei Politikern war immer klar, dass man noch mal jemand anders fragt."
Bei der polizeilichen Pressearbeit habe sich zum Teil eine gewisse Bequemlichkeit eingeschlichen, stellt Überall fest. Auch weil Journalisten ihr bislang oft unreflektiert Glauben geschenkt hätten. "In den USA können wir ja gerade sehen, wohin das geht, wenn diese immens privilegierten Quellen nicht mehr ernsthaft sind. Das ist eine ganz große Gefahr für die Gesellschaft und letzten Endes dann auch für die Akzeptanz solcher Behörden."
Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der vergangenen Jahre sei zum Teil noch von "Irrlichtern" geprägt, findet Überall - auch mit Blick auf die Ernsthaftigkeit der verwendeten Sprache: "In der großen Linie muss einfach klar sein: Das ist behördliche und damit auch ernstzunehmende Information."
"Ich kann nicht mit irgendwelchen Plattitüden arbeiten"
Dass die Behörden unterschiedlich vorgingen, beobachtet auch Wolfgang Baldes von der Kölner Polizei. So formuliere andere Dienststellen salopper als die Kölner. Aber Baldes betont: Es sei nun mal Ländersache - und man könne ja voneinander lernen. Fakt sei aber auch, "dass wir uns hier auf die Fahne geschrieben haben, mit dem Bürger vernünftig zu reden. Auch wenn die Menschen untereinander sich duzen, bleiben wir dennoch bei einem freundlichen Sie."
Eine weitere Voraussetzung für die Kommunikation in den sozialen Netzwerken sei unbedingte Transparenz bei der Nennung der Nennung der Nationalität eines Täters. "Ich kann dort nicht mit irgendwelchen Plattitüden arbeiten und sagen, da hat jemand was gemacht, und beschreibe weder Tat noch Täter." Baldes sieht hierbei jedoch auch Probleme: "Wenn jeder danach schreit: ‚Ich will wissen, wer es war? In welchen Abstammungsgrad gehen wir denn zurück? Sagen wir so: Die Eltern waren aus Land XY, müssen wir dann sagen, das ist eine Migrant? Oder müssen wir sagen: 'Das hört bei den Großeltern auf?' Sollen wir jetzt Namensbestandteile nennen, die möglichweise einen Rückschluss darauf geben, dass mal jemand aus einem anderen Land gekommen ist?"
Fragen, auf die die auch die Kölner Polizei nach den einschneidenden Erfahrungen der vergangenen Silvesternächte noch keine eindeutige Antwort hat.