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Die Rohingyas in Myanmar
Ausgegrenzt und abgestraft

Ein Großteil der Bootsflüchtlinge in Südostasien stammt aus Myanmar, es sind Angehörige der im Land verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingyas. Seit Jahren wird ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert, sie sind weitgehend rechtlos. Radikale Buddhisten haben die Minderheit im Westen Myanmars immer wieder angegriffen.

Von Udo Schmidt | 23.05.2015
    Rohingya-Flüchtlinge nahe der südthailändischen Insel Koh Lipe
    Rohingya-Flüchtlinge nahe der südthailändischen Insel Koh Lipe (AFP / Christophe ARCHAMBAULT)
    Sie leben seit Jahren in Notunterkünften, in Zelten, immer in der Angst, wieder von radikalen Buddhisten überfallen zu werden, wie 2012, als es mehr als 200 Tote gab. Sie besitzen keine Staatsbürgerschaft, die Burmesen lehnen sie als Bengalis ab und wollen sie zurück nach Bangladesh schicken, obwohl sie schon seit Generationen im Land leben, ihnen wird immer mehr die Lebensgrundlage entzogen – die Lage der rund eine Million Rohingyas in Myanmar ist katastrophal. Das UN-Flüchtlingshilfswerk stuft die muslimischen Rohingyas als die am meisten verfolgte Minderheit der Welt ein. Phil Robertson von Human Rights Watch in Bangkok:
    "Die Rohingyas sind staatenlos, sie werden von der Regierung furchtbar schlecht behandelt, es gibt einen verzweifelten Wunsch nach Verbesserung der Lage. Das ist ein Problem der ganzen Region und es braucht eine regionale Lösung."
    Die buddhistische Mehrheit in Myanmar lehnt die muslimische Minderheit strikt ab, gesteht ihr auch nicht den Status einer ethnischen Minderheit zu. Deutlich wurde das bei der Volkszählung vor gut einem Jahr. Sämtliche Ethnien des Vielvölkerstaates Myanmar wurden abgefragt und konnten angekreuzt werden, Rohingyas gab es auf dem Formular nicht. Aung Pe, Rohingya, damals in der Provinzhauptstadt Siitwe.
    "Wir sind mit der Volkszählung, so wie sie stattfindet, nicht einverstanden. Wir wollen ja eigentlich mitmachen, aber wenn wir sagen, dass wir Rohingyas sind, dann schreiben sie das nicht auf. Das verletzt uns."
    2012, im Sommer, fiel ein wütender buddhistischer Mob in der Rakhine Provinz, dort leben die meisten der Rohingyas, über die muslimische Minderheit her. Prügelnde Mönche an der Spitze der Gewalttäter - die radikale Gruppe 969, angeführt von dem Agitator Wiratu in Mandalay gab den rassistischen Ton vor. Am Ende wurden über 200 Tote gezählt. Zomillah, eine alte Frau, sitzt auf dem Boden einer Notunterkunft am Rande von Sittwe und berichtet unter Tränen:
    "Die Buddhisten haben uns mit Messern angegriffen. Sie haben unsere Häuser in Brand gesteckt und nichts übrig gelassen. Ich habe nur die Sachen, die ich jetzt trage. Nicht einmal mehr Schuhe sind mir geblieben."
    Und nicht weit entfernt erzählt Maung Maung, ebenfalls Angehöriger der muslimischen Minderheit:
    "Ich will nicht mehr in der Rakhine Provinz bleiben. Ich habe acht Familienmitglieder und drei sind bereits tot. Wie sollen wir hier leben? Wir haben nicht genug zu essen. Ich besitze zumindest noch Kleidung, andere haben auch das nicht mehr."
    Erst spät schritten damals Polizei und Militär gegen die marodierenden buddhistische Mehrheit im Westen des Landes ein, grundsätzlich aber blieb und bleibt Präsident Thein Sein bei seiner harten Haltung: Die Rohingyas gehören nicht nach Myanmar. Andrej Mahecic von Human Rights Watch:
    "Ihre Bewegungsfreiheit in Sittwe ist eingeschränkt - damit wird verhindert, dass die Rohingyas als Taxifahrer oder Marktbeschicker arbeiten können. Fischer dürfen nicht in die Lagune hinausfahren. Viele haben kaum Geld, medizinische Hilfe ist unerschwinglich und auch unerreichbar, schwangere Frauen können häufig in kein Krankenhaus gehen."
    In Rangun, der Metropole Myanmars, zogen im vergangenen Jahr Tausende Demonstranten durch die Straßen, viele in der orangenen Kleidung der Mönche - sie protestierten nicht für mehr demokratische Rechte, sondern gegen die Rohingyas:
    "Wir protestieren dagegen, dass es den Rohingyas erlaubt werden könnte, Bürger Myanmars zu werden. Das darf nicht passieren. Sie haben gegen das Recht verstoßen, sie sind illegal eingewandert."
    Niemand im Land nimmt Partei für die Rohingyas. Für die Regierung von Präsident Thein Sein gibt es kein Minderheiten-Problem, es gibt keine Rohingyas nach seiner Auffassung. Und auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hält sich auffällig zurück. Auch sie ist Vertreterin der Zentralgewalt, der größten Ethnie der Bama, auch sie will ihre Wahlchancen im kommenden November nicht schmälern. Dann nämlich wird in Myanmar ein neues Parlament gewählt. Und mit dem Eintreten für die muslimischen Rohingyas gewinnt man in Myanmar keine Wahlen. Phil Robertson von Human Rights Watch:
    "Der letzte Schlag gegen die Rohingyas war der Entzug der White Card durch die Regierung, mit der die Rohingyas bisher an den Wahlen teilnehmen durften. Nun haben sie diese Möglichkeit auch noch verloren."