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Die sieben Leben des Ion

17 Jahre Übergang und kein Ende: Seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Dikaturen leben die meisten Menschen in Osteuropa in einem permanenten Umbruch, darunter besonders die in so armen Ländern wie Rumänien. Nach dem Ende des Staatssozialismus kam eine Marktwirtschaft, die zumeist wilden, erbarmungslosen Kapitalismus bedeutete.

Von Keno Verseck; Redakteurin am Mikrofon: Bettina Nutz | 02.12.2006
    Es folgte der Prozess der EU-Integration, und während der noch kaum abgeschlossen ist, wirkt sich bereits die Globalisierung aus: Nach einem kurzem Boom der Billigproduktion in Osteuropa wandern internationalen Konzerne schon wieder weiter nach Asien. Müde, entnervt und frustriert sprechen die meisten Menschen in Rumänien von einem unendlichen Wandel.

    Der permanente Übergang ist gleichbedeutend mit permanenten Änderungen im eigenen Leben: Arbeitslosigkeit durch den Bankrott von Staatsunternehmen, ständige berufliche Neuorientierung, Self-made-Unternehmertum, im schlimmsten Fall das Zerbrechen der Familie und der sozialen Beziehungen.

    Was heißt es, in der Mitte des Lebens von vorn anzufangen? Wie ist es, zwei, drei Arbeitsplätze zugleich und seit Jahren keinen Urlaub mehr zu haben? Wer gewinnt, wer bleibt auf der Strecke? Wieviel Wandel kann eine Gesellschaft verkraften? Es erzählen: ehemalige kommunistische Vorzeige-Werktätige, die heute unter Bedingungen des Manchester-Kapitalismus am Fließband stehen, fliegende Händler, die bei dem Wort Zukunft höchstens an den nächsten Morgen denken, Bauern, die ihre Lebensmittel nicht mehr verkaufen können, Arbeitsemigranten, die in EU-Ländern wie Italien schwarz arbeiten und deren Kinder bei den Großeltern aufwachsen, Self-made-Mittelständler, die ihre Firmen wegen häufig wechselnder Gesetze und vor allem wegen des EU-Beitritts andauernd umbauen müssen, und schließlich auch die wenigen Glücklichen, die es - wie Broker und Investment-Unternehmer - mit Klugheit und Geschick zu Wohlstand gebracht haben.