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Dieselgate und CO2-Skandal
Sauberer Diesel - geht das überhaupt?

Neuerdings wirft die europäische Umweltbehörde EPA dem VW-Konzern vor, auch 3.0-Liter-Motoren so manipuliert zu haben, das im tatsächlichen Fahrbetrieb ein Vielfaches der Stickoxide ausgestoßen werden als auf dem Prüfstand. Das trägt dazu bei, dass das Image des Dieselmotors als umweltfreundlicher Antrieb erheblich leidet – zu Unrecht, finden Experten.

Von Thomas Wagner | 05.11.2015
    Abgase kommen aus einem Auspuff
    Zwar kommt deutlich weniger CO2, aus dem Auspuff eines Diesels, dafür aber umso mehr Stickoxide. (Marcus Führer/dpa)
    "Der moderne Clean-Diesel ist ein Saubermann: Wer es ernst meint mit Klimaschutz und CO2-Reduktion, der muss auch ja sagen zum Clean Diesel."
    Damit hat Matthias Wissmann, Präsident im Verband der Deutschen Automobilindustrie, trotz des VW-Manipulationsskandals nach übereinstimmender Expertenmeinung nach wie vor recht. Denn:
    "Vom Prinzip her verbrennt der Diesel mit einem besseren Wirkungsgrad. Das heißt: Er verbraucht weniger Kraftstoff und emittiert weniger Kohlendioxid, also weniger Treibhausgas", so Panayotis Dimopoulus Eggenschwiler vom Schweizerischen Forschungsinstitut EMPA.
    Stickoxide schädigen die Gesundheit
    Insofern wären Dieselmotoren ein gutes Stück weit umweltverträglicher als Benzinmotoren, gäbe es da nicht einen kleinen Nebeneffekt: Zwar kommt deutlich weniger CO2- aus dem Auspuff eines Diesels, dafür aber umso mehr Stickoxide. Und die schädigen die Gesundheit. Das Ausfiltern dieser Stickoxide ist nicht eben einfach. Die EMPA-Forscher in der Schweiz arbeiten an einer Fortentwicklung des sogenannten "AdBlue"- oder "SEC"-Verfahrens, das bereits auf dem Markt ist und als zukunftsträchtig gilt. Dabei spaltet Harnstoff, der in einem Extratank mitgeführt wird, das gesundheitsgefährdende Stickoxid in die harmlosen Bestandteile Wasser und Stickstoff auf. So weit, so schlecht - sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Denn:
    "Man möchte aber keinen Ärger mit dem Kunden haben und hat die Anlage so eingerichtet, dass sie im realen Fahrbetrieb praktisch keinen Harnstoff verbraucht. Also da ist im Grunde genommen für den Test ein bisschen Harnstoff vorhanden. Aber im normalen Fahrbetrieb werden die Abgase ungereinigt in die Umgebungsluft geleitet."
    Nachbehandlung ist so teuer wie der Motor selbst
    Denn für eine ständige Reinigung hätten die Fahrzeuge zum Nachfüllen des Harnstoffs öfter in die Werkstatt gemusst - und das kostet zusätzliches Geld. Deshalb arbeiten die Schweizer EMPA-Forscher an einem Kompromiss, an Systemen, bei denen das Fahrzeug nur noch mit deutlich reduzierter Leistung fährt, wenn der Harnstofftank leer ist. Ein weiteres Problem: Dieses Abgasnachbehandlungssystem braucht viel Platz und kostet richtig Geld. EMPA-Forscher Eggenschwiler:
    "Grob gesagt, im Lastwagen ist die Stickoxid-Nachbehandlung plus die Partikel-Nachbehandlung so groß, so schwer und so teuer wie der Motor selbst."
    Bei PKW sind solche Abgasnachbehandlungssysteme zwar kompakter und billiger zu haben, benötigen aber gleichwohl immer noch sehr viel Raum im Fahrzeug. Deshalb sieht Reinhard Kolke, Leiter des ADAC-Testzentrums in Landsberg am Lech, diese Systeme gut aufgehoben in Mittel- und Oberklassen-PKW, nicht jedoch im Kleinwagen:
    "Tatsächlich wird es so sein, dass die Abgasnachbehandlung für einen Diesel aufwendig sein wird. Aus diesem Grunde also insbesondere bei Stadtfahrzeugen ist das Benzinauto extrem sauber."
    Dieselmotoren in der Mittel- und Oberklasse, Benzinmotoren bei Kleinwagen - das wird, glaubt der ADAC-Experte, Teil der automobilen Zukunft werden.