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Diskussion um Bahnstreiks
Weselsky: "Wir haben die Hand ausgestreckt"

Claus Weselsky sieht sich mit dem Streik der Lokführer weiter im Recht. In der DLF-Sendung Kontrovers führte er die richterliche Bestätigung der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit an. Dass sich Zugbegleiter auch von der GDL vertreten lassen wollen, sei ein Grundrecht, das nicht "an der Garderobe abgeben wird".

10.11.2014
    GDL-Chef Claus Weselsky
    GDL-Chef Claus Weselsky (dpa / picture-alliance / Peter Ending)
    "Wir haben zum zweiten Male die klare Botschaft vom Gericht bekommen, dass wir im Recht sind. Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt", sagte Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), mit Blick auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen. In der verhärteten Situation habe die GDL "guten Willen" gezeigt. indem man den Streik in der zurückliegenden Woche verkürzt habe. "Wir sind bereit, über die Inhalte zu verhandeln - wenn wir denn endlich dazu kommen", sagte Weselsky.
    Er beklagte, dass bislang von der Bahn kein Angebot und und auch kein Verhandlungstermin vorliegen würden. "Ob wir mit dem Streik fertig sind, beantwortet die Bahn." Verhandlungen über die Forderungen zu Gehältern, Arbeitszeiten und Mehrarbeit seien möglich: "Kompromissbereitschaft ist da."
    Gerade bei uns im Hauptstadtstudio: ein gut gelaunter, freundlicher Claus #Weselsky pic.twitter.com/lWmsTl8n5U— Das Hauptstadtstudio (@DLF_Berlin) 10. November 2014
    Weselsky: Gesetz zur Tarifeinheit "existenzvernichtend"
    Die GDL besteht aber weiter darauf, neben Lokführern auch Zugbegleiter vertreten zu dürfen. Das vom Bundesarbeitsministerium geplante Gesetz zur Tarifeinheit nannte Weselsky "existenzvernichtend" für kleine Gewerkschaften. "Wir sind das Pilotprojekt - und sollen dabei unsere Grundrechte abgeben."
    Die Tarifpluralität sei jedoch von Bundesarbeitsgericht bestätigt. Es gebe Beamte, Angestellte oder Zeitarbeiter mit unterschiedlichen Arbeitszeiten und Löhnen bei der Bahn. Das zeige, wie unterschiedlich Arbeitswelten in einem Unternehmen sein können. Doch nur Arbeitgeber dürften so vielschichtig agieren. "Wenn die Gewerkschaften das wollen, wird es angeprangert." Nach der Privatisierung der Bahn und dem Ende der Beamtenlaufbahn dürfe man sich nicht wundern, dass jemand "seine Grundrechte wahrnimmt". Weselsky kritisierte, dass die Öffentlichkeit über viele Medien "ein völlig falsches Bild von unseren Lokführern" bekäme. Sie hätten nicht das Ziel, zu streiken. "Wir haben die Hand ausgestreckt."
    Wirtschaftsexperte fordert mehr Kompromissbereitschaft der GDL
    Hagen Lesch, Experte für Tarifpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, nahm in der Diskussion eine Gegenposition zu Weselsky ein. "Es ist genug gestreikt worden, jetzt brauchen wir einen Durchbruch, das darf man von allen Seiten erwarten", sagte er und verwies auf mögliche Schäden für die Wirtschaft durch den beeinträchtigten Güterverkehr. Im großen Bahnstreik 2007 habe die Bahn bereits eingelenkt. Es entstand ein eigenständiger Tarifvertrag für Lokführer. "Jetzt will die GDL in einer Gruppe, in der sie nicht die Mehrheit hat, dasselbe. Da wird auf dem Rücken Unbeteiligter ausgetragen, was nicht ausgetragen werden muss."
    "Ohne Kompromiss keine Lösung des Konflikts" - IW-Tarifexperte Lesch derzeit im Streitgespräch mit #Weselsky im @DLF: http://t.co/kmIz0mobTT— IW Köln (@iw_koeln) 10. November 2014
    Lesch räumte ein, dass der Streik legal sei. Er warf aber die Frage auf, ob er auch legitim sei. "Irgendwann müssen Sie zu einem Kompromiss kommen", sagte er zu Weselsky. "Sie müssen doch einigermaßen ergebnisoffen in die Verhandlungen gehen. Ohne Kompromiss werden sie keinen vernünftigen Abschluss bekommen." Er forderte einen verantwortungsvolleren Umgang mit dem Streik. Das Gesetz zur Tarifeinheit bezeichnete er als sinnvolles Ordnungselement. Angst der kleinen Gewerkschaften davor sei übertrieben.
    Burkert hält Attraktivität der Schiene im Blick
    Der Vorsitzende der Landesgruppe Bayern in der SPD Bundestagsfraktion, Martin Burkert
    Der Vorsitzende der Landesgruppe Bayern in der SPD Bundestagsfraktion, Martin Burkert (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Andreas Burkert (SPD), der in der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) als Vorstandsmitglied arbeitet und außerdem Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag ist, warb ebenfalls für einen Kompromiss. In Deutschland werde zwar wenig gestreikt. "Zwischen 2005 und 2012 kamen auf 1.000 Arbeitnehmer nur fünf Ausfalltage." Für Frankreich und Spanien nannte er dreistellige Zahlen. Doch nun sollten alle an einen Tisch kommen.
    Er hat die Attraktivität des Bahnverkehrs im Blick, die auch von der Zuverlässigkeit abhängt. "Ich hoffe, die Kunden bleiben der Schiene treu, vor allem im Güterverkehr."
    Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, Alexander Kirchner, hatte der Lokführergewerkschaft zuvor in einem Interview mit dem Deutschlandfunk eine Blockadehaltung vorgeworfen. Die EVG halte es für falsch, dass für eine Gruppe von Beschäftigten innerhalb der Deutschen Bahn unterschiedliche Tarife gelten.
    (nch/bor)