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Doktor gegen Bares

"Ach, wir haben doch alle mal irgendwo abgeschrieben" – so argumentieren manche, die sich vor Karl-Theodor zu Guttenberg stellen. Ghostwriter-Agenturen verdienen mit dem möglichen Betrug angehender Doktoren sogar Geld - indem sie für die Wissenschaftler Arbeiten verfassen.

Von Sarah Tschernigow | 01.03.2011
    "Ich brauche eine Hausarbeit über Goethes Faust, sechs Wochen Zeit, circa 15 Seiten."

    Oder

    " In einem Jahr will ich meinen BWL-Abschluss in der Tasche haben. In der Diplomarbeit soll es um Methoden des Risikomanagements gehen. 80 bis 100 Seiten. Es muss nicht mal gut sein. Hauptsache durch. Können Sie da was machen?"

    Ja, sie können. Mit solchen Aufträgen machen akademische Ghostwriter-Agenturen ihr Geld und das Geschäft brummt. Sie nennen sich "Write Service" oder "Acad Write". Auf ihren Webseiten wird gar nicht erst um den heißen Brei herumgeredet:

    "Du musst nicht alles wissen um erfolgreich zu sein. Du musst wissen, Wo du die Hilfe bekommst, die dich deinen Zielen näher bringt. Wir erstellen für dich Texte von der Hausarbeit bis zur Dissertation. Wissenschaftlich recherchiert, sauber formuliert und bis ins Detail auf deine Wünsche abgestimmt."

    Die Bestellung erfolgt auf Wunsch anonym und läuft meist übers Internet. Ghostwriter Christoph Steven, Geschäftsführer der "Textagentur Steven" hat auf seiner Seite einen Kontaktbogen programmiert. Es funktioniert wie eine Online-Bestellung.

    "Es ist durch das Anfrageformular vorgegeben. Da sind die Angaben, die wir benötigen: Thema der Arbeit, Art der Arbeit, Seitenzahl, Datum der Fertigstellung. Und auf dieser Grundlage wird ein Angebot erstellt, dass der Kunde über ein Webformular bestätigen muss."

    Was der Spaß kostet, will er nicht verraten. Aber einen Blick in ein paar Internet-Foren geworfen, wird schnell klar, in welchem Preissegment man sich bewegt: Eine anspruchsvolle Diplomarbeit ist für rund 5000 bis 7000 Euro zu haben; eine Dissertation ist einen Kleinwagen wert: 10.000 bis 20.000. – Aufträge hat Christoph Steven genug.

    "Die meisten Anfragen kommen aus dem Bereich BWL, Wirtschaftswissenschaften. Was die Studenten immer wieder sagen ... dass die Betreuung in dem Bereich nicht so gut ist. Und dann scheint keine Ausbildung stattzufinden, wie man eine wissenschaftliche Arbeit schreibt. Man kann vieles über Klausuren machen, so dass manche versäumen, sich ins wissenschaftliche Arbeiten reinzuarbeiten."

    Der Ghostwriter sagt, er habe viel mit ausländischen Studenten zu tun, weil die zwar gut sprechen, aber nur fehlerhaft schreiben können. Andere stünden schon mit einem Bein ins Berufsleben und seinen schlicht überfordert. Manche einfach faul – und risikofreudig. Wer an Eides statt erklärt, seine Arbeit selber verfasst zu haben und dann erwischt wird – der fliegt von der Uni und kann sich auf eine saftige Geldstrafe gefasst machen. Und die Agenturen? Die sind fein raus, erklärt Marcus Ronnenberg, Anwalt für Hochschul- und Prüfungsrecht. Die Agenturen sind ja nicht blöd, sagt er, die sichern sich rechtlich ab:

    "Die sichern sich meistens dadurch ab, dass sie in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingen deutlich machen, dass die erbrachte Leistung nur ein Denkanstoß ... nur eine Vorlage ist ... und darauf Wert gelegt wird, dass diese Texte nicht eins zu eins übernommen werden dürfen. Sie stellen sich immer auf den Standpunkt: Wir wissen von nichts. Wir haben einen Auftrag, einen Text zu verfassen nach einer bestimmten Vorgabe, und was der Doktorand, der Prüfling, damit macht, können wir nicht beeinflussen. Also sind wir nach der Übergabe des Textes fein raus."


    Tausende Euro ausgeben für einen Denkanstoß, ein Übungspapier? Das ist absurd, aber eine juristische Grauzone. Für andere gegen Geld Texte zu schreiben, erstmal nicht verboten. Man denke nur an Reden- oder Witzeschreiber.

    "Dieses ganze Dubiose und "hinterm Vorhang", das liegt einfach daran, dass dieses Angebot nicht rechtlich einzuordnen ist. Es gibt kein Urteil dazu, dass diese Arbeit als illegal bezeichnet. Es gibt kein Urteil, dass sich damit beschäftigt. Es gibt meines Erachtens keine Agentur, die jemals verurteilt worden ist, ihre Dienste zu unterlassen."

    Das Risiko trägt der Kunde. Wenn es hart auf hart kommt, weiß der nicht mal wie der Autor heißt, der ihm die Arbeit geschrieben hat, oder wo er sitzt. Tausende Ghostwriter soll es im Land geben, überall verstreut; die Agenturen schützen die Identität ihrer Mitarbeiter. Diskretion nennen sie das. Ein schlechtes Gewissen haben sie nicht.

    " Ich verstehe mich da als jemand, der hilft und unterstützt, und ich hatte noch bei keinem Kunden das Gefühl, dass ich mir gewünscht hätte, dass er einen anderen Weg gewählt hätte."

    Christoph Steven bereut nichts. Die Studenten manchmal vielleicht schon. Sie müssen auch Jahre nach Abgabe ihrer Arbeit mit der Angst leben, doch noch erwischt zu werden. Und für einen guten Anwalt reicht das Geld dann wahrscheinlich nicht mehr.