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Don Silvio?

Heute ist Prozesstag in Mailand und der Angeklagte heißt Silvio Berlusconi. Es geht um die Mafia, die den heutigen Staatschef Italiens in früheren Jahren unterstützt haben soll. Geständige Mafiabosse sagten schon vor Jahren aus, die Mafia habe Forza Italia Stimmen beschafft. Jetzt wird die Sache noch brisanter.

Von Kirstin Hausen | 04.12.2009
    Wie so oft in Italien begann die Geschichte mitten im Sommer. Während die meisten Italiener unter der lähmenden Hitze stöhnten, kamen die Ermittlungen, die Silvio Berlusconi heute zusetzen, so richtig in Fahrt. Zwischen Juli und September meldete sich eine ganze Reihe inhaftierter Mafiabosse zu Wort, darunter auch der ehemalige Chef der Cupola Toto Riina.

    Der zu einer lebenslänglichen Haftstrafe Verurteilte sitzt seit 15 Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis bei Mailand und war bislang nicht geständig. In einem offenen Brief behauptete er plötzlich, den Mord an dem Anti-Mafia-Richter Paolo Borsellino habe nicht er, sondern jemand anderes zu verantworten. Und der geständige Mafioso Pietro Romeo, der 1993 an dem Bombenanschlag der Mafia vor den Uffizien in Florenz beteiligt war, wurde noch deutlicher: Auf die Frage, wer hinter den Anschlägen stecke, habe sein Boss gesagt: Berlusconi. Mafiosi, die sagen, was andere Mafiosi angeblich gesagt haben, sind noch lange kein Beweis, aber die Staatsanwälte gehen diesen Aussagen nach und das sorgt für Unmut im Berlusconi-Lager. Unterstaatssekretär Paolo Bonaiuti verteidigt seinen Chef:

    "Diese Geschichte, dass Berlusconi Verbindungen zur Mafia habe, ist doch ein alter Hut. Seit Jahren hacken da die Zeitungen drauf rum, seitdem er entschieden hat, in die Politik zu gehen. Mich überrascht es, dass diese Geschichte immer wieder hervorgeholt wird, bewiesen werden konnte das Ganze nicht."
    Die Ermittlungen wegen des Vorwurfs, die Mafia zu unterstützen, sind eingestellt worden, soviel ist richtig. Berlusconi hatte zwar Kontakt zu Mitgliedern der Cosa Nostra, doch das reichte nicht, um Anklage zu erheben, hielten die Richter in ihrer Begründung fest. Nun hat sich dank der neuen Aussagen geständiger Mafiosi die Indizienlage verändert und eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht auszuschließen. Das scheint den italienischen Regierungschef nervös zu machen.

    "Diese Prozesse, die gegen mich angezettelt werden, sind eine einzige Farce. Mich macht das alles nur noch stärker, es lebe Italien, es lebe Berlusconi"

    Durchhalteparolen. Dabei ist Berlusconis Position so schwach wie kaum zuvor seit seinem Wahlsieg vor anderthalb Jahren. Wie schwach genau, lässt sich nur erahnen: Umfragewerte, früher ein Steckenpferd des Regierungschefs, werden nicht mehr veröffentlicht. Stattdessen versucht die Berlusconi-Presse, einzelne Staatsanwälte und die Richterschaft insgesamt in Misskredit zu bringen. Täglich warnen Politiker rund um den Regierungschef vor dem Komplott, das Berlusconis Gegner angeblich aushecken.

    "Es gibt ein Netzwerk aus Staatsanwälten, einer Verlagsgruppe und Teilen der Opposition, die die Justiz missbrauchen wollen, um die Regierung zu stürzen, die am 13. April 2008 ins Amt gewählt wurde."

    "Die Justiz ist dabei, die Souveränität des Volkes zu untergraben, das betrifft zwar eine Minderheit in der Richterschaft, aber wir müssen uns trotzdem Gedanken machen über das Ungleichgewicht zwischen Judikative und Exekutive."

    Die Judikative soll beschnitten werden, damit die Exekutive machen kann, was sie will? Manches an der sogenannten Justizreform, die Silvio Berlusconi so sehr am Herzen liegt, weckt diesen Verdacht. Der Anti-Mafia-Ermittlungsrichter Antonio Ingroia:

    "Das ist ein heikles Thema, aber wir finden zum Beispiel, dass die geplante Trennung der beruflichen Laufbahn von Richtern und Staatsanwälten, wie es sie in vielen anderen Ländern gibt, in Italien sehr gefährlich wäre. Die Staatsanwälte würden dann nämlich näher bei der Polizei stehen als bei der Justiz und die Polizei untersteht der Regierung. Das Risiko ist, dass auch die Staatsanwälte unter politische Kontrolle geraten."

    Und dass Regierungspolitiker ausgerechnet jetzt, wo geständige Mafiosi brisante Aussagen über den Regierungschef machen, eine Revision des Kronzeugengesetzes vorschlagen, beunruhigt Antonio Ingroia umso mehr. Mit Spannung erwartet er die für heute vorgesehene Zeugenaussage des Mafioso Spatuzza im Berufungsprozess gegen Marcello Dell`Utri, Berlusconis rechte Hand und Mitbegründer seiner Partei Forza Italia. Spatuzza hat neben Dell`utri auch Berlusconi selbst belastet. Die spannende Frage ist, ob er seine Aussage öffentlich wiederholen wird. Ingroia will sich zu dem Prozess nicht äußern, er führte in der ersten Instanz die Anklage. Aber natürlich hofft er, dass die zweite Instanz den Schuldspruch, den er erwirkte, bestätigen wird.