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Drahtlose Visite

Ob im Operationssaal oder auf dem Sportplatz: immer häufiger sammeln winzige Sensoren wichtige medizinische Daten von Patienten. Die kleinen Wächter nutzen Mobiltelefone und Laptops zur Datenübertragung. In vielen Krankenhäusern starten demnächst neue Studien. Was schon an Patienten getestet wird und was uns vielleicht bald im Alltag erwartet haben die "Mikrowelten " vergangene Woche in Berlin gezeigt, eine zweitägige Veranstaltung, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Von William Vorsatz | 10.02.2004
    Um beim Joggen einen Effekt zu erreichen, sollte das Training nicht zu lasch sein. Aber der Sportler darf sich auch nicht übernehmen. Auf der Brust des Läufers klebt daher eine Folie, 20 cm hoch, 10 breit. Darin befinden sich hauchdünne Sensoren, Speicher und Batterien. Diese Folie nimmt ein EKG – lückenlos. Dazu kommt ein Fingerhut, der ständig den Puls misst. Die Daten werden an das mitgeführte Mobiltelefon gesendet. So kann der Kreislauf schon während des Trainings kontrolliert werden. Und später werden die Daten auf den Heimcomputer übertragen werden. Stephan Hey von der Universität Karlsruhe:

    Auf dem Monitor sieht man dann in der grünen Linie das EKG, in den zwei Signalen darunter sieht man dann den Puls, wie er am Finger ankommt, man sieht, das es da ne Zeitverschiebung gibt, genau diese Zeitverschiebung wird ausgenutzt, um daraus dann den Blutdruck zu berechnen. Der Blutdruck wird hier unten angezeigt, und da sieht man wie sich der quasi von Herzschlag zu Herzschlag dann ändern kann, das heißt man hat damit wirklich eine genaue exakte und auch zu jeden Zeitpunkt richtige Messung vom Blutdruck.

    Sportler sind so in der Lage, ihr Training zu optimieren. Aber die neue Technik eignet sich auch für Patienten. Die drahtlose EKG-Folie wird ab nächste Woche bei den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken in Bochum getestet. Bisher sind solche Messungen wie EKG, Sauerstoff und Blutdruck mit vielen Kabeln verbunden. Bei Transporten müssen sie unterbrochen werden, es kommt zu kritischen Situationen. Alexander Scholz von der TU München interessiert sich hingegen mehr für solche Technik, die gefährdeten Menschen im ambulanten Bereich helfen kann:

    Hierbei geht es um miniaturisierte Sensoren, die der Patienten komfortabel tragen kann, um flexible Messungen machen zu können. Dies ist nötig bei chronisch kranken Personen, also nicht für den normalen Durchschnittspatienten, sondern für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenwerkrankungen, Blutzucker und eventuell in der Krebsvorsorge.

    Zur Datenübertragung vom Sensor zum Handy verwendet Scholz die Bluetooth-Technologie. Dieser Standard istin der Datenverarbeitung schon sehr verbreitet und dadurch preiswert sowie praxiserprobt. Ideal für´s Senden im Nahbereich zwischen 10 und Hundert Metern. So kann beispielsweise das Atemvolumen bei Asthmatikern überprüft werden. Veränderungen deuten rechtzeitig auf einen Anfall hin.

    Ich kann das hier mal vorführen, ich schalte dieses Spirometer ein, und dann startet die Software am Mobiltelefon, jetzt krieg ich einen Aufforderung von dem Gerät, reinzublasen, das tue ich jetzt dann, ein Moment - So, man sieht jetzt hier die Peak-Flow–Kurve, das wird automatisch zum Arzt weiter geleitet, der Arzt kann sehen, wie viel Luft in welcher Zeit durch das Rohr geblasen wurde, bei einem kranken Menschen verändern sich eben dieser Werte.

    Auch dieses Gerät wird ab nächster Woche im Krankenhausbetrieb getestet. Von schonender Diagnostik dank Sensortechnik profitieren aber auch die Jüngsten. Bisher muss für Tests auf Gelbsucht Blut abgenommen werden. Ein Schmerztrauma für das Kleinkind und außerdem besteht Infektionsgefahr. Mit dem Mikrospektrometer wird das Pieken überflüssig. Stephan Kreuzberger von der STEAG microParts GmbH aus Dortmund:

    Ja, also hier sehen Sie das Handgerät, das aussieht wie eine kleine Pistole, das wird auf die Haut aufgesetzt, dann wird ein Lichtblitz abgegeben in die Haut, das reflektierte Licht wird dann in dem Messkopf untersucht, das Licht wir aufgespalten in die einzelnene Sperktralfarben, und dieser Gelbsucht auslösende Faktor macht einen ganz signifikanten Peak an dieser gelben Stelle eben, und das kann das Gerät detektieren und kann genau sagen, wie groß die Gefahr für jedes einzelne Kind ist an Gelbsucht zu erkranken. Und man kann dann sofort am Krankenbett sagen, wie die Therapie dann auch aussehen muss, man muss nicht erst Blut einschicken ins Labor und warten, bis die Ergebnisse da sind, man hat direkt vor Ort das Ergebnis und der Arzt kann reagieren.

    Noch ein anderes Beispiel: Minimalinvasive Eingriffe haben bisher neben vielen Vorteilen auch Einschränkungen. So können winzige Kameras zwar Bilder aus dem Inneren des Patienten liefern, aber neue Instrumente sind nun auch fähig zu tasten. An den Spitzen sitzen druckempfindliche Sensoren, ähnlich wie in Fingerkuppen. So können "fühlende" Zangen Knötchen im Gewebe entdecken oder Veränderungen an den Blutgefäßen. Das unterschiedlich beschaffene Gewebe wird durch verschiedenen Farben auf dem Monitor dargestellt. Auch hier versenden Sensoren die Informatinen über Bluetooth. Diese Technik ist ebenfalls anwendungsreif.

    Was von all dem Neuen nachher wirklich in den medizinischen Alltag kommt, wird die Praxis zeigen. Irgendjemand muss die neue Technik auch bezahlen. Aber einiges wird sich bestimmt durchsetzten.