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Duales System
Missbrauch bei der Entsorgung

Das Entsorgungssystem mit dem Grünen Punkt verursacht bei Industrie und Handel hohe Kosten. Deshalb wird bei dem System seit Jahren getrickst. Einige der Schlupflöcher könnten allerdings bald geschlossen werden. Heute soll ein erster Gesetzentwurf im Bundeskabinett verabschiedet werden.

Von Christel Blanke | 12.02.2014
    Die Änderungen an der Verpackungsverordnung sind zunächst einmal wenig spektakulär. Es gehe, sagt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Und darin wird vor allem definiert, was eigentlich eine Verpackung ist:
    "Die Frage, ob ein Kleiderbügel eine Verpackung ist oder nicht hängt davon ab, ob er mit einem Kleidungsstück verkauft worden ist und damit also dienenden Charakter hat, oder ob er an sich verkauft worden ist. Also das kann sogar zum Teil zum Schmunzeln führen."
    Umsetzung einer EU-Richtlinie erforderlich
    Doch so, wie die Novelle heute vom Kabinett verabschiedet wurde, wird sie nicht bleiben. Nordrhein-Westfalen will im Bundesrat grundlegende Änderungen durchsetzen, was die Bundesregierung unterstützt. Dass sie die Novelle nicht gleich schärfer fasst, liegt am Zeitplan, sagt Flassbarth. Die Umsetzung der EU-Richtlinie müsse auf den Weg gebracht werden.
    Nordrhein-Westfalen will dem Missbrauch bei der Entsorgung von Verpackungsmüll einen Riegel vorschieben. Peter Kurth, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft, BDE, begrüßt die Initiative. Denn die Lücken in der Verordnung seien groß wie Scheunentore:
    "Wir haben in den gelben Tonnen und in den gelben Säcken etwa 2,3/2,2 Millionen Tonnen Verpackungsmaterialien. An der Finanzierung beteiligen sich aber nur gut 800.000 Tonnen."
    Entsorger zahlt drauf
    Probleme gibt es mit der sogenannten Eigenrücknahme und den Branchenlösungen. Vor allem bei der Eigenrücknahme, das heißt bei den Verpackungen, die Kunden direkt im Geschäft zurücklassen können, wird getrickst. Riesige Verpackungsmengen werden angegeben, die aber tatsächlich zuhause in der gelben Tonne landen. Für die Entsorgung über die Tonne haben Hersteller und Händler aber keine Gebühr bezahlt. Das heißt, beide sparen viel Geld und der Entsorger, der für die gelbe Tonne zuständig ist, zahlt drauf. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so dramatisch, ist die Situation bei den Branchenlösungen, bei denen Verpackungen zum Beispiel in Krankenhäusern direkt von den Lieferanten zurückgenommen werden. Eigentlich ein vernünftiges System, so Umweltstaatssekretär Flasbarth:
    "Wenn das aber abstrahiert wird und nur noch auf einer theoretischen Basis besteht, also beispielsweise Joghurtbecher, die in der Gastronomie eingesetzt werden, ohne dass es sich hier um konkrete, nachprüfbare Mengen handelt, dann führen eben diese Branchenlösungen auch zum Nutzen von Schlupflöchern, die dann wiederum von anderen zu tragen sind."
    Stärkere Kontrollen gefordert
    350 Millionen Euro könnten dem dualen System nach Branchenschätzungen in diesem Jahr fehlen. BDE-Präsident Kurth fordert mehr Kontrollen. Die Forderung des Verbandes kommunaler Unternehmen, VKU, das System Grüner Punkt abzuschaffen, lehnt er aber ab:
    "Die Abschaffung eines guten Ansatzes, weil der missbraucht worden ist, scheint mir nicht der richtige Punkt zu sein. Kein Mensch kommt auf die Idee, die Straßenverkehrsordnung abzuschaffen, nur weil sie missbraucht und gebrochen wird."
    Mit dem guten Ansatz meint Kurth die Produktverantwortung, die Grundlage der Verpackungsverordnung ist. Das heißt, Hersteller und Händler sind für die Verwertung von Verpackungen verantwortlich und müssen eine Entsorgungsfirma damit beauftragen. Würden die Kommunen den Müll einsammeln, fiele diese Verantwortung weg, so Kurth.