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E-Books
Bibliotheken fordern Gleichstellung von digitalen und gedruckten Büchern

Die Bibliotheken in Europa sind mit der Sonderbehandlung von elektronischen Büchern und Zeitschriften unzufrieden. Es könne nicht sein, dass nur 40 Prozent der aktuellen Bestseller überhaupt für Bibliotheken als E-Book verfügbar seien, klagt Klaus Peter Böttger, Präsident des europäischen Bibliotheksverbands.

Klaus Peter Böttger im Gespräch mit Dina Netz | 22.04.2014
    Dina Netz: "E-Medien in der Bibliothek - mein gutes Recht", so heißt eine Kampagne, die ab heute europaweit läuft und hier bei uns vom Deutschen Bibliotheksverband gestartet wurde. Es geht darum, dass E-Books und gedruckte Bücher rechtlich gleichgestellt werden sollen. Bisher können Bibliotheken nämlich nicht jedes E-Book erwerben, sondern sind abhängig davon, wie der Verlag über die Lizenz entscheidet. In einer Pressemitteilung des Deutschen Bibliotheksverbands heißt es sogar, anders als bei physischen Medien hätten Bibliotheken nach dem geltenden Urheberrecht kein Recht zum Erwerb und Verleih elektronischer Medien. Die Sache ist also kompliziert, und ich habe sie mir erklären lassen von Klaus Peter Böttger, dem Präsidenten des europäischen Bibliotheksverbands, und ich habe ihn zuerst gefragt: Was ist denn der rechtliche Unterschied für die Bibliotheken zwischen gedrucktem Buch und E-Book?
    Klaus Peter Böttger: Für das gedruckte Buch, für die physischen Medien gibt es ein funktionierendes Urheberrecht. Und dieses Urheberrecht bezieht sich eben auf Bücher, Gedrucktes, Zeitschriften et cetera. Das gibt es für digitale Produkte, die ja nicht greifbar sind, in dieser Form nicht. So wie Bibliotheken jedes Buch kaufen können, das auf dem Markt erhältlich ist, ist dies eben für E-Books nicht möglich.
    Netz: Was bedeutet das denn?
    Böttger: Dass beispielsweise, wenn ich mir die "Spiegel"-Bestsellerliste der vergangenen Woche anschaue, von den 50 Titeln, die da drauf sind, nur 40 Prozent überhaupt für Bibliotheken verfügbar sind als E-Book. Und das bedauern natürlich unsere Kunden.
    Netz: Vielleicht erklären Sie uns kurz zwischendurch, Herr Böttger, wie das überhaupt funktioniert mit der Ausleihe von E-Books, die gibt es ja bisher auf den Internetseiten der Bibliotheken zum Runterladen, so sie denn verfügbar sind und so man ein registrierter Benutzer ist. Was passiert denn dann? Gibt es da auch eine Rückgabefrist, einen Kopierschutz, wie funktioniert das alles?
    Böttger: Die Medien sind geschützt, und zwar sind Sie dann für den Entleiher verfügbar für eine bestimmte Zeit. Das kann bei einer Zeitung eine Stunde sein, beim E-Book sind es in aller Regel zwei Wochen. Und der Entleiher gibt dieses nicht aktiv zurück, aber nach zwei Wochen endet eben die Verfügbarkeit für ihn. Und damit kann er dann dieses Buch auch nicht weiter lesen, sondern kann dann wieder von jemand anderem, dem nächsten, entliehen werden.
    Netz: Und gibt es einen Kopierschutz?
    Böttger: Ja. Es ist unterschiedlich. Je nach Titel und Lizenz kann es mal sein, dass insbesondere bei Sachliteratur einzelne Seiten ausgedruckt werden dürfen. Aber das ist eben Teil der Lizenz. Ansonsten ist ein Kopieren nicht möglich.
    "Es müssen rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden"
    Netz: Kommen wir wieder zu dieser Kampagne. Der Verband deutscher Schriftsteller hat heute Teile des Wortlauts dieser Kampagne kritisiert, nämlich den, in dem davon die Rede sei, das geltende Urheberrecht unterlaufe den Kernauftrag der Bibliotheken, allen Bürgern Bildung und Information zu ermöglichen. So steht es eben in dieser Pressemitteilung. Der Verband deutscher Schriftsteller antwortet darauf, man dürfe der Gratismentalität nicht das Wort reden. Muss denn nun wirklich das Urheberrecht geändert werden, damit auch E-Books für Bibliotheken verfügbar sind?
    Böttger: Das Urheberrecht fürs Buch sicherlich nicht. Aber es müssen rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, eben für diese digitalen Dienstleistungen. Bei der Gratismentalität würde ich durchaus widersprechen, denn Bibliotheken sind ja sowohl beim gedruckten, als auch beim E-Book ja Kunden der Verlage, und wir wollen ja dafür bezahlen, wir wollen ja nicht etwas umsonst haben, und wir möchten auch, dass die Autoren an dem Verleih ja auch partizipieren, etwa über die Bibliothekstantieme.
    Netz: Was müsste sich denn ändern, damit es funktionieren würde?
    Böttger: Sowohl, was den europäischen Raum betrifft, als auch den nationalen, müssen wir mit großen Zeiträumen rechnen. Das heißt, wir brauchen für die Zwischenzeit so etwas wie die Möglichkeit des Dialogs zwischen Verlagen, Bibliotheken und Autoren. Unsere Intention wäre, zu Standardlizenzverträgen zu kommen, die all diese Problematiken dann regeln könnten. Das würde zum Beispiel bedeuten, was die Preisbindungen betrifft, was den Mehrwertsteuersatz betrifft, da unterstützen wir ja auch die Verlage in ihren Bemühungen, etwa zu einem reduzierten Mehrwertsteuersatz zu kommen. Sie müssten im Grunde genommen festlegen, dass die Gültigkeit dieser Lizenz ... - denn auch da ist es wieder anders als beim gedruckten Buch, wo wir ein Werk im Bestand haben, so lange, wie wir es für wichtig erachten oder so lange wie es nachgefragt ist -, ... Das ist eben bei E-Books je nach Verlag zeitlich sehr unterschiedlich begrenzt. Und das sind Dinge, die in einen solchen Standardlizenzvertrag hinein müssten, der dann hoffentlich auch für alle Verlage gelten sollte und nicht sehr stark individuelle Regelungen zwischen dem Bibliotheksverband und den einzelnen Verlagen dann geschlossen werden müsste.
    Netz: Klaus Peter Böttger, Präsident des Europäischen Bibliotheksverbands, zu den Problemen der Bibliotheken mit E-Books.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.