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Die Habgier

Nicht nur die NSA sammelt persönliche Daten aus dem Internet, sondern auch Konzerne wie Google oder Facebook - und das sogar noch intensiver. Das Netz ist zu einer unerschöpflichen Quelle und zu einem Marktplatz für Marketing-Daten geworden.

Von Achim Killer | 24.10.2015
    Lange Reihen von Lichtern laufen in der Mitte des Bildes zusammen. Es zeigt ein automatisches Lager für Magnet-Datenbänder in einem Nebenraum des Supercomputers "Blizzard" im Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg
    Konzerne sammeln Daten von milliarden Menschen. (dpa picture alliance / Christian Charisius)
    Wenn Fußballfans rufen: "Schiedsrichter, wir wissen, wo dein Auto steht" dann ist das eindeutig gemeint: Wissen wird hier zur Drohung. Nirgendwo sonst wiederum ist so viel Wissen gespeichert wie in den Rechenzentren der großen Internetkonzerne wie Google, Apple und Facebook. Und deshalb klingt es auch ganz eigenartig, wenn ein Mann wie der Facebook-Chef Mark Zuckerberg ruft: Wir wissen, wer eure Freunde sind.
    "Weil wir wissen, wer eure Freunde sind, denn ihr habt sie ja in die Liste eurer Freunde eingetragen, können wir für euch sehr gut Nachrichten filtern, damit ihr nur die bekommt, die euch interessieren."
    Es entstehen umfassende Persönlichkeitsprofile
    Mark Zuckerberg stellt ein neues Facebook-Feature vor. Der Konzern versteht es, persönliche Daten zu verarbeiten zum Nutzen seiner User - und zum eigenen, versteht sich. Anderthalb Milliarden Surfer speichern laufend – auch äußerst private – Informationen ab. Täglich werden Hunderte Millionen Fotos hochgeladen und milliardenfach wird registriert, dass jemandem etwas im Netz gefällt. Dadurch entstehen umfassende Persönlichkeitsprofile von derzeit 20 Prozent der Weltbevölkerung, und zwar im Wesentlichen des zahlungskräftigen Teils davon.
    Über noch mehr persönliche Daten verfügt nur Google. Der Konzern ist denn auch 2013 mit einem Big Brother Award ausgezeichnet worden. In ihrer Laudatio begründete die Datenschutzaktivistin Rena Tangens die Verleihung des Negativpreises an den Suchmaschinenkonzern und weltgrößten Werbevermarkter so:
    "Diese über Jahre angehäufte, detaillierte Profilsammlung der Milliarden Menschen ist eine Gefahr an sich. Denn was passiert, wenn die Daten in richtig böse Hände geraten? Und: Welche Regierung, welcher Geheimdienst wäre nicht scharf auf diese Informationen?"
    Der permanente Skandal im Netz
    Das war im April 2013, also noch bevor Ed Snowden aufgedeckt hat, dass sich die NSA auch gerne bei Google bedient. 2007 hat Apple – heute selbst einer der größten Datensammler und Werbevermarkter - das iPhone auf den Markt gebracht. Die neuen Geräte der Kategorie Smartphone reichern die im Netz gespeicherten Personenprofile um Bewegungs- und Kommunikationsdaten an. Unzählige Handy-Programme greifen die ab, wie der Entwickler Benjamin Philipp erläutert:
    "Wenn wir eine App schreiben, können wir auf verschiedene Daten des Users zugreifen. Kontaktdaten könnten wir auslesen, wir könnten die Positionsdaten auslesen, wenn auch nur die der aktuellen Position. Und wir können sie natürlich auch auswerten. Man kann dadurch Bewegungsprofile erstellen und Kontaktdaten in vielfältiger Weise dabei verwenden. Es ist relativ leicht für den Entwickler, die Daten ungefragt abzurufen und zu übermitteln."
    Sein Erfinder Tim Beerners-Lee hatte das Web als Informationsquelle gedacht – vor allem für Wissenschaftler. Das ist es nach wie vor. Aber umgekehrt stimmt's auch. Mithilfe des Web informieren sich Marketiers über die Surfer, und sie legen dabei gewaltige Profil-Datenbanken an. Der NSA erleichtert das die Arbeit. Sie muss nicht selbst sammeln, sondern kann sich bei Bedarf aus den Rechenzentren der professionellen Datensammler bedienen. Die Datenbanken von Google, Apple und Facebook sind der permanente Skandal im Netz, der Skandal vor dem NSA-Skandal.