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E.T.A. Hoffmann - Chamber Music

Die beiden CDs, die ich Ihnen heute morgen vorstellen möchte, sind zunächst einmal so gegensätzlich wie nur irgend denkbar. Einerseits geht es um Kammermusik der frühen Romantik, anderseits um zeitgenössische armenische Musik, die zugleich auf alte und uralte Traditionen zurückgeht. Und dennoch gibt es Verbindungen. In beiden Fällen begegnen wir komponierenden Poeten. Zum einen in Werken des großen Romantikers Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, zum andern in Gesängen des armenischen Dichters, Geistlichen, Philosophen und Sängers Komitas, die von dem armenischen Komponisten Tigran Mansurian auf ebenso eigenwillige wie einfühlsame Weise für die Bratschistin Kim Kashkashian gesetzt und damit aus der kollektiven Erinnerung in konkrete musikalische Sprache geholt wurden.

Norbert Ely |
    Bei dem Versandlabel cpo ist eine hochinteressante CD mit Werken von E.T.A. Hoffmann erschienen, an der gleich mehrere Ensembles mitwirkten. Das Klaviertrio E-dur, das erst kürzlich vom Trio Jean Paul im Zusammenwirken mit Peter Härtling vorgelegt wurde, wird hier vom Beethoven Trio Ravensburg gespielt. Die Einwände gegen die ziemlich dürftige kompositorische Substanz kann auch dieses Ensemble nicht widerlegen, obwohl die weniger pointierte und eher verbindliche Darstellung des Werks diesem eher förderlich scheint. Ein Fund sind die sechs hübschen italienischen Duette für Sopran und Tenor, die Hoffmann 1812 in Bamberg notierte. Sie sind gänzlich harmlos, aber durchaus charmant, und wollen als Fingerübungen für Opern oder Singspiele gehört werden. Freilich sind sie völlig der Tradition verhaftet, und nichts deutet darauf hin, dass derselbe Hoffmann nur wenige Jahre später mit seiner "Undine" das Tor zur romantischen Oper wenn nicht aufstieß, so doch ein Stück weit öffnete. In den Duetten wird noch nach guter alter Art auf "giubilar" tatsächlich jubiliert. * Musikbeispiel: E.T.A. Hoffmann - Nr. 5. 'Vicino a te, ben mio' aus: "6 Duettini italiani" für Sopran, Tenor und Klavier, AV 67 Dorothee Mields und Jan Kobow machen bei diesen Duetten einmal mehr deutlich, dass eine gute sitzende und intelligent geführte Stimme auch vergleichsweise bescheidenen Melodien einigen Zauber zu verleihen imstande ist. Dem Pianisten Wolfgang Brunner bleibt hier ohnehin nicht viel mehr übrig, als mit der gebotenen Zurückhaltung für ein harmonisches Gerüst zu sorgen. Anders liegt der Fall beim Harfenquintett c-moll von E.T.A. Hoffmann. Das hat es inzwischen zu einigem Ruhm gebracht. Die aparte Besetzung - Harfe und Streichquartett - spielt hier sicher mit. Tatsächlich macht sich Hoffmann in diesem Werk vom klassischen Kanon immer wieder frei, ohne dass er zu wirklich schlüssigen neuen Formen fände. Der Kopfsatz wirkt eher nach Art einer Fantasie, wozu natürlich die Harfe immer auch einlädt. Das Quintett entstand 1807 in Warschau und ist passagenweise der Zeit deutlich voraus, wobei Hoffmann sich an den Nahtstellen der Komposition dann doch immer wieder in geläufige Formeln rettet. Hier liegt nun eine Einspielung auf sehr hohem interpretatorischen Niveau vor. Die Harfenistin Isabelle Moretti und das Parisii Quartett erfüllen das dreisätzige Werk mit einer Leichtigkeit und Liebenswürdigkeit, dass wohl kein Zuhörer so leicht auf die Idee kommt, er habe es hier mit einem Opus des späteren Gespenster-Hoffmann zu tun. Man darf durchaus grübeln, was aus dem guten Ernst Theodor Amadeus geworden wäre, hätte es ihn rechtzeitig in Pariser Salons statt in seine Warschauer Bruchbude verschlagen. * Musikbeispiel: E.T.A. Hoffmann - 2. Adagio aus: Quintett für Harfe und Streichquartett c-moll, AV 24 Das waren Isabelle Moretti und das Parisii Quartett mit dem Mittelsatz aus dem Harfenquintett c-moll von E.T.A. Hoffmann. Und soviel zu der neuen cpo-CD mit Werken dieses Dichterkomponisten. Auch diese durchaus interessante Scheibe macht letzten Endes deutlich, dass Hoffmanns poetische Prosa eben doch musikalischer ist als seine vergleichsweise prosaische Musik.