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Echse in Säugernische

Paläontologie. - Tansania ist ein Dorado für Geologen. Im Rukwa Rift Basin im Südwesten des Landes sind Schichten aufgeschlossen, die den gesamten Zeitraum von Kreidezeit und Tertiär umspannen, also die Spätzeit der Dinosaurier, ihr abruptes Ende und den Wechsel zu den Säugetieren. US-Paläontologen stellen in der aktuellen "Nature" ein Krokodil von dort vor, das viele Ähnlichkeiten mit Säugetieren besitzt. Unter anderem scheint es die Fähigkeit besessen zu haben, seine Beute zu kauen.

Von Dagmar Röhrlich | 05.08.2010
    Die Krokodile von heute gleichen sich: Schwer, klobig, mit schlichten, kegelförmigen Zähnen, die große Brocken aus ihren Opfern reißen. Die verschlingen die Krokodile dann, bevor sie wieder ihrer "Lieblingsbeschäftigung" nachgehen: dem Ruhen am oder im Wasser. Dieser Lebensstil hätte einem kleinen Krokodil, das vor 105 Millionen im heutigen Tansania lebte, wohl gar nicht gefallen:

    "Dieses neue Krokodil Pakasuchus kapilimai aus Tansania unterscheidet sich stark von den heute lebenden. Es war gerade katzengroß, hatte einen flachen, eher kurzen, an Katzen erinnernden Kopf. Vielleicht hat es auch Wasser nicht sehr geschätzt, so wie die Katzen heute. Jedenfalls liegen seine Nasenlöcher vorne auf dem Schädel, während die der modernen Krokodile oben auf der Schnauze liegen, damit sie auch halb untergetaucht atmen können. Aber vor allem hatte Pakasuchus ungewöhnliche Zähne: Neben den spitzen Fangzähnen vorne stecken hinten im Kiefer breite Backenzähne, die genau ineinander passen - so, wie wir es sonst nur von den Säugetieren kennen."

    Patrick O‘Connor von der Ohio Universität in Athens. Wie perfekt die Backenzähne im Ober- und Unterkiefer ineinander griffen und schnitten, konnten die Paläontologen anhand von Computertomographien nachweisen:

    "Wir müssen uns dieses neue Krokodil so vorstellen, dass es sicherlich mit seinen 'Backenzähnen' die Nahrung anders verarbeitet hat, als es seine Verwandten heute tun. Diese Zähne scheinen regelrecht fürs Kauen gemacht zu sein, auch wenn es vielleicht nicht das gleiche Kauen war wie das der Säugetiere. Es war sicherlich etwas Ähnliches."

    Auch sonst sei das Katzenkrokodil sehr ungewöhnlich für ein Reptil, dessen Nachfahren heute als plump angesehen werden:

    "Wir haben fast komplette Schädel und Skelette, und so konnten wir Pakasuchus kapilimai mit heute lebenden Tieren vergleichen. Anders als alle heute lebenden Krokodile war Pakasuchus recht schlank, mit zierlichen Gliedern. Seine Beine waren beim Laufen gestreckter wir es von modernen Krokodilen kennen. Nur der Schwanz war gepanzert, ansonsten waren die Knochenplatten in seiner Haut nicht so schwer und massiv. Deshalb war das 'Katzenkrokodil' wohl leichter und vor allem beweglicher, mit einem flexiblen Rückgrat. Wir nehmen an, dass Pakasuchus aktiv war und sich viel mehr bewegte als moderne Krokodile."

    Wo Pakasuchus lebte, durchzogen große Flüsse die Landschaft, die immer wieder über die Ufer traten. Pflanzenfressende Sauropoden und kleinere Raubsaurier streiften zwischen den Bäumen umher, die Flüsse und Seen waren fischreich. In dieser Umgebung besetzten die Katzenkrokodile eine Nische, die sonst den kleinen Säugetieren vorbehalten war: Sie jagten kleine Tiere und vor allem Insekten wie Hundertfüßer oder Libellen. Zum Zerreiben der Chitinpanzer waren die Backenzähne sicher hervorragend geeignet, urteilt Patrick O‘Connor:

    "Unsere Arbeitshypothese ist, dass Krokodile wie Pakasuchus auf den Kontinenten der Südhalbkugel die Nischen der Säugetiere eingenommen haben: Sie lebten so, wie es zur gleichen Zeit die Säugetiere auf der Nordhalbkugel taten. Wir haben eine Art zweigeteiltes Bild: Auf den Kontinenten im Norden entwickelten sich die Säugetiere, die im Süden nur mit altertümlichen Formen vertreten waren."

    Im Süden hingegen erlebten die Krokodile eine Blüte - vor allem dank der Verwandtschaft von Pakasuchus, den Notosuchia. Diese ausgestorbene Krokodile, die vor 65 Millionen Jahren zusammen mit den Sauriern verschwanden, haben sehr ungewöhnliche Vertreter hervorgebracht: pflanzenfressende Krokodile etwa und solche, deren Schnauzen wie Entenschnäbel aussehen oder Schweinerüssel. Und das Katzenkrokodil ist die derzeit die bizarrste Blüte an diesem Stammbaum.