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Ehemalige Air Berlin-Mitarbeiter
Zwischen Rechtsstreit und Neuanfang

In einigen der alten Air Berlin-Büros ist heute eine Transfergesellschaft ansässig. Hier können sich ehemalige Mitarbeiter auf Neubewerbungen vorbereiten oder umschulen lassen, allerdings mit einem entscheidenden Nachteil: Wer die Leistung in Anspruch nimmt, verzichtet auf sämtliche weitere Ansprüche.

Von Claudia van Laak | 11.12.2017
    Ein Halstuch steckt am 13.11.2012 in Berlin an einer Handtasche der Fluggesellschaft "Air Berlin".
    "Ich muss für mich nach vorne gehen und das Kapitel Air Berlin beenden": Viele ehemalige Air Berlin-Mitarbeiter verzichten auf eine Klage gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber (picture alliance / ZB / Robert Schlesinger)
    Die ehemalige Konzernzentrale in der Nähe des Flughafens Tegel. Noch hängen die Air Berlin-Logos an der Fassade, noch steht ein rot-weißes Flugzeug-Leitwerk im Foyer. Doch es gibt auch klare Zeichen der Auflösung: in den Fluren überquellende Papierkörbe mit geschredderten Akten, dunkle Büros. Marcel Hübner überkommt ein merkwürdiges Gefühl.
    "Ja, es ist schon sehr ungewohnt, denn vor zwei, drei Monaten wehte hier noch ein sehr anderer Wind. Und heute kommt man zurück und die meisten Büros sind leer. Die Air Berlin-Namenschilder sind überklebt und es geht jetzt um was anderes als die Zukunft von Air Berlin, sondern um unsere eigene."
    Der 37-Jährige, der seinen richtigen Namen nicht im Radio hören möchte, ist seit kurzem bei der Air Berlin Boden Transfergesellschaft angestellt. Diese hat leer stehende Büros der Pleite-Airline übernommen. Dort, wo vorher Tim Howe Schröder - Vice President Corporate Sales - saß, ist jetzt der Arbeitsplatz von Personalberaterin Anette Hempel.
    Eine Arbeitsvertrag ohne Arbeitsstunden
    "Hallo, guten, Tag, wie geht's Ihnen."
    "Gut geht's soweit. Ich hab wieder Gespräche gehabt. Das zweite Interview bei zwei Firmen gehabt, und es geht zum Glück langsam voran."
    "Oh, das ist schön."
    Mülleimer mit geschredderten Akten in einem verlassenen Büro der ehemaligen Fluggesellschaft Air Berlin
    "Vor zwei, drei Monaten wehte hier noch ein sehr anderer Wind": Mülleimer mit geschredderten Akten in einem verlassenen Büro der ehemaligen Fluggesellschaft Air Berlin (Claudia Van Laak/Deutschlandradio)
    Insgesamt 800 frühere Air Berliner erhalten die Möglichkeit, ein halbes Jahr lang bei der Transfergesellschaft zu arbeiten. Wobei "arbeiten" das falsche Wort dafür ist.
    "Es ist ein Arbeitsvertrag mit 'null' Arbeitsstunden, das ist sehr ungewöhnlich. Wobei das nicht ganz stimmt - weil ja auch Bewerben Arbeit ist. Das heißt, wir vereinbaren mit den Teilnehmern, mit den Mitarbeitern Termine, Beratungstermine. Die kommen hierher und sind dann den Rest der Zeit auf sich allein gestellt und müssen sich eben bewerben", sagt Personalberaterin Annette Hempel.
    Der Vorteil der Transfergesellschaft: das Arbeitslosengeld I wird leicht aufgestockt auf etwa 70 Prozent des früheren Nettolohns. Und die Mitarbeiter gewinnen Zeit.
    Vorbereitung auf neue Aufgaben
    "Die Mitarbeiter können sich hier in Ruhe vorbereiten - je nachdem, wie die Laufzeit ist - in dem Fall sind es sechs Monate, auf Vorstellungsgespräche, die Bewerbungsunterlagen werden überarbeitet, es wird nach neuen beruflichen perspektiven geschaut, viele wollen sich ja einfach auch neu orientieren, viele haben sich viele Jahre gar nicht beworben und kennen den Arbeitsmarkt gar nicht, so das wir ihnen behilflich sind, auch bei der Stellensuche und bei der Jobrecherche."
    Der Nachteil der Transfergesellschaft: Durch den Übergang verzichten frühere Air Berlin-Mitarbeiter auf alle Ansprüche. Sie erhalten keine Abfindung, können nicht mehr gegen ihre Kündigung klagen. Marcel Hübner - er war früher im Vertrieb von Air Berlin tätig - hat sich für die Transfergesellschaft entschieden.
    "Viele Kollegen hoffen ja auf einen Betriebsübergang zu Lufthansa und wollen klagen oder werden klagen. Ich wünsche den Kollegen auch viel Glück, ich habe persönlich aber keine Rechtsschutzversicherung und das Risiko wäre mir einfach zu große geworden, dort auf eine Weiterbeschäftigung zu klagen."
    Neuanstellung zu schlechteren Konditionen
    Viele Piloten und Flugbegleiter haben sich inzwischen bei der Lufthansa oder bei Easyjet beworben, in den meisten Fällen werden sie künftig zu schlechteren Konditionen arbeiten müssen. Andere haben eine Klage gegen ihre Kündigung eingereicht. Andreas Splanemann von der Gewerkschaft Verdi:
    "Es werden Gerichtsverfahren geführt, und was dahinter eine Rolle spielt, ist die Frage: Handelt es sich um Betriebsübergänge - in den Fällen, wo Lufthansa Teile des Unternehmens gekauft hat und auch Easyjet - oder nicht. Da gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Wir gehen davon aus, dass die Klärung dieser Rechtsfragen einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Es ist auf jeden Fall keine schnelle Lösung für die Beschäftigten in Sicht."
    Ein Abschied mit Wehmut
    Marcel Hübner dagegen hofft auf eine schnelle Lösung - auf eine neue Stelle, möglichst ohne Gehaltsverzicht. Ein Angebot hat er bereits, dazu müsste er allerdings nach Hannover umziehen.
    "Ich muss für mich nach vorne gehen, meinen Weg gehen, und das Kapitel Air Berlin beenden und möglichst schnell einen neuen Job finden."
    In Kürze wird nicht mehr viel an die einst zweitgrößte Airline Deutschlands erinnern. Dass es so schnell ging, damit hat niemand von uns gerechnet, sagt der ehemalige Air Berliner, der am Ende doch ein bisschen wehmütig wird.