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"Ein Chef, wie man ihn sich nicht besser vorstellen kann"

Nobelpreis. - Erfolgreich war Gerhard Ertl nicht nur als Forscher, sondern auch bei der Führung seiner Mitarbeiter. Das meint die Physikochemikerin Professor Katharina Krischer von der TU München, die bei Gerhard Ertl promovierte und sich habilitierte, im Gespräch mit Grit Kienzlen.

10.10.2007
    Grit Kienzlen: Wie viele Jahre haben Sie zusammen gearbeitet?

    Katharina Krischer: Ach, wir haben 13 bis 15 Jahre zusammen gearbeitet.

    Kienzlen: Was ist er für ein Mensch?

    Krischer: Er ist ein Chef, wie man ihn sich besser nicht vorstellen kann. Sonst wäre ich auch nicht so lange bei ihm geblieben. Das ist wirklich wahr, das klingt jetzt vielleicht aufgesetzt, aber er hat einen ausgesprochen guten Führungsstil. Er hat eine Riesenabteilung geleitet mit sehr vielen Arbeitsgruppen. Wir waren teilweise über 100 in seiner Abteilung und zehn, zwölf Arbeitsgruppenleiter. Ich hatte dann auch eine Arbeitsgruppe sehr lange Jahre in seiner Abteilung. Und es gab nie irgendwelche Streitigkeiten. Er hat ein sehr ausgleichendes Wesen.

    Kienzlen: Ist er denn eher ein fröhlicher Typ oder jemand, der tagein, tagaus im Labor ist? Verlangt er das auch von seinen Mitarbeitern? Wie ist das?

    Krischer: Ach, ich glaube, eins seiner Merkmale ist es, dass er seinen Mitarbeitern sehr viel Freiheit gibt. Und das motiviert zur Arbeit und macht auch Freude an der Arbeit. Er selber hat natürlich sehr viel gearbeitet, hat aber nie auf die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter geschaut.

    Kienzlen: Herr Ertl ist ja für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden, was bei Nobelpreisen eher die Ausnahme ist. Häufig sind es doch einzelne Entdeckungen, die ausgezeichnet werden. Gibt es denn etwas spezifisches in seinem Denkansatz, seinem Herangehen an die Wissenschaft, was so besonders war in seiner Arbeit und ist?

    Krischer: Na ja, ich würde denken, er hat die Oberflächenphysik und Oberflächenchemie - das ist dann die zweite Stufe, würde ich denken, gewesen - im Laufe seines Lebens aufgebaut. Er hat ein wirklich gutes Gespür dafür gehabt, was wird funktionieren und was wird nicht funktionieren, welche Ideen werden zum Erfolg führen. Ich würde sagen, es ist seine wissenschaftliche Intuition gewesen, die ihm zum Erfolg verholfen hat, ja.

    Kienzlen: Was machen denn all seine Schüler heute? Wenn er so eine große Arbeitsgruppe hatte, müssen die in der ganzen Welt verteilt sein, oder sind die alle in Deutschland geblieben und stärken das Forschungsfeld hier?

    Krischer: Es sind viele in Deutschland geblieben, es sind aber auch einige zum Beispiel in den USA Professoren und auch in Kanada. Und in Deutschland hat es, glaube ich, insgesamt über 15 Schüler, die jetzt an Hochschulen unterrichten.