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Ein Formel-1-Überlebender

Gerade mal 23 Jahre ist Sebastian Vettel, der aktuelle Weltmeister. Mit seinen 42 Jahre ist Michael Schuhmacher so etwas wie der Methusalem des Feldes. Das war früher anders. Juan Manuel Fangio griff erst in diesem Alter erst richtig in das Rennsportgeschehen ein.

Von Martin Hartwig | 24.06.2011
    "Hier meldet sich Le Mans. Um 16 Uhr heute Nachmittag wurde das 24-Stundenrennen bei strahlendem Sonnenschein gestartet. Wir erwarteten einen großen, sportlichen Kampf, aber all das sollte wenige Stunden später tragisch und erschütternd überschattet sein."

    Er überlebte den großen Unfall in Le Mans 1955. Er überlebte die Rennen auf dem berüchtigten Nürburgring und den Grand Prix von Monza 1952 - den allerdings nur sehr knapp.

    "In den zehn Jahren, in denen ich in Europa gefahren bin, sind 30 Piloten ums Leben gekommen. Wenn ich immer daran gedacht hätte, hätte ich nicht weiter fahren können",

    sagte Fangio, als er 1958 seine Karriere beendete. Die Fahrer mussten damals tatsächlich in der Lage sein, die große Gefahr zu verdrängen: In ihren Wagen waren sie kaum geschützt. Fangio saß oft mit einem kurzärmeligen Hemd im Cockpit, auf dem Kopf eine Lederkappe oder ein kleiner Stahlhelm. Doch sein außergewöhnliches Geschick, seine sehr überlegte Fahrweise und eine beträchtliche Portion Glückbewahrten ihn vor dem Tod auf der Piste.

    "Es gab mutigere Männer als mich, aber die meisten starben auf der Strecke!"

    Fangio war kein jugendlicher Heißsporn, sondern schon "reife" 37 Jahre alt, als er 1949 in San Remo seinen ersten Grand Prix gewann. Eine Sensation, denn der Argentinier war zuvor nur in seinem Heimatland bekannt.

    "Ich erinnere mich noch, wie ich davon träumte, eines Tages auf einer Rennstrecke wie Berlin zu fahren."

    sagte er 1973 bei einem Berlin-Besuch nach seiner aktiven Zeit. Juan Manuel Fangio wurde am 24. Juni 1911 in der argentinischen Kleinstadt Balacre geboren. Schon mit 13 Jahren arbeitete das vierte von sechs Kindern einer italienischen Einwandererfamilie in einer Autowerkstatt. Dort kam Fangio mit dem Motorsport in Kontakt. 1936, mit 25 Jahren, bestritt er sein erstes Rennen in einem umgebauten Taxi, einem Ford Model A.

    1940 gewinnt er, inzwischen von Chevrolet unterstützt, sein erstes wichtiges Rennen, den "Grand Premio International del Norte", ein Langstreckenrennen von Buenos Aires nach Lima. Im gleichen und im folgenden Jahr wird er in dieser Disziplin argentinischer Meister. Dann gerät seine Karriere ins Stocken: durch den Zweiten Weltkrieg kommt der Rennbetrieb zum Erliegen. Fangio schlägt sich als Autohändler durch, bis er im Oktober 1948 endlich wieder ein Langstreckenrennen fahren kann. Doch seine zweite, seine große Karriere beginnt mit einem Unfall.

    "Ich war zu schnell, zu mutig und zu müde."

    bekannte Fangio sich hinterher schuldig. Er hatte die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Sein Beifahrer wurde herausgeschleudert und starb. Damals habe er erstmals darüber nachgedacht, aufzuhören, sagte Fangio später. Doch er machte weiter und trat 1949 mit Unterstützung der Regierung von Juan Perón in den Grand Prix Zirkus ein - die Weltbühne des Motorsports.

    In der neu geschaffenen Formal 1 eilte er von Sieg zu Sieg und wurde zwischen 1950 und '57 fünfmal Weltmeister. Dabei fuhr er für alle großen Teams dieser Zeit: Fangio gewann für Alfa Romeo und Mercedes, für Maserati und Ferrari.

    "Es gibt wohl kaum jemanden, der so lange gefahren ist wie ich. Sehen Sie an mir auch nur einen zerbrochenen Knochen?"

    "Das ist hier der absolute Höhepunkt. Mehr kann nicht geboten werden. Taschentücher winken überall, vielleicht ist Fangio vorn? Jetzt haben wir ihn, jawoll! Juan Manuel Fangio vorn!" (Reporter)

    Sein berühmtestes Rennen liefert Juan Manuel Fangio 1957 beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring ab. Nach einem missratenen Boxenstopp liegt er zehn Runden vor Schluss fast eine Minute hinter den Führenden und beginnt eine Aufholjagd, bei der er nicht nur im sprichwörtlichen Sinn über die wellige Piste fliegt und schließlich knapp gewinnt.

    "Ich habe heute auf dieser Strecke Dinge getan, die ich nie wieder tun werde",

    sagte Fangio, nachdem er aus dem Wagen gestiegen war. Es war sein letzter Sieg in einem Formel-1-Rennen. Er wurde noch einmal Weltmeister, doch das anschließende Jahr 1958 lief schlecht für ihn. Mitten in der Saison, gleich nach dem Grand Prix von Frankreich in Reims, erklärte er seinen Rücktritt. Wieder einmal hatte es einen Toten gegeben. Seitdem war Juan Manuel Fangio vor allem als Überlebender eines damals wirklich mörderischen Sportes unterwegs, den er trotz allem immer verteidigte.

    "Solange die Leute zum Rennen kommen, so lange hat der Rennsport eine Zukunft."