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Eltern sind schockiert

Vor zehn Jahren wurde der frühere DDR-Frauen-Nationaltrainer im Schwimmen, Jürgen Tanneberger, als Mitorganisator des Staatsdopings verurteilt. Dass er heute im Schwimmclub Berlin wieder Kinder betreut, schockiert einige Eltern.

Von Thomas Purschke | 18.09.2009
    Der inzwischen 65-jährige Pensionär Jürgen Tanneberger arbeitet heute im Verein Schwimmclub Berlin ehrenamtlich als Sportwart. Dort bringt er Kindern das Schwimmen bei und hatte im August ein großes Sommerlager in Ahlbeck an der Ostsee organisiert.

    Das Landgericht Berlin hatte 1999 den einstigen DDR-Frauen-Verbandstrainer als einen führenden Mitorganisator des Dopings zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt - wegen Beihilfe zur Körperverletzung in 47 Fällen. Unter den Geschädigten, die mit männlichen Sexualhormonen präpariert wurden, hatten sich auch minderjährige Mädchen befunden. Dass er heute wieder Kinder in Berlin betreut, schockierte einige Eltern, die sich kundig machten, ob es sich tatsächlich um den verurteilten Ex-Doper handelt.

    Doch Bedenken besorgter Eltern kann Tanneberger nicht verstehen. Der Hochleistungssport sei für ihn seit dem Ende der DDR tabu. Heute vermittle er nur noch die Schwimmtechniken. Zugleich versucht er seine damalige Verantwortung kleinzureden und sagte wörtlich:

    "Ich war ja nur politisch verantwortlich, weil ich von der Dopingkonzeption wusste. Ja, es trifft zu, dass ich damals nichts dagegen unternommen habe. Das bereue ich heute."

    Tanneberger stieg in der DDR 1982 vom einstigen Cheftrainer des Sportclubs Magdeburg zum Frauenverbandstrainer auf. Als Tanneberger nach dem Mauerfall vom Deutschen Schwimmverband in höherer Ebene nicht übernommen wurde, fand der Sportlehrer eine Anstellung beim Schwimmclub "Jan Wellem" in Düsseldorf. Dort hatten die Westfunktionäre kein Problem mit dem früheren DDR-Doper. 2002 kehrte er aus familiären Gründen nach Berlin zurück.

    Im Sommer 2003 wurde der Verein Schwimmclub Berlin gegründet. Ziel ist es, laut Vereinswebseite, "den Nachwuchs zu entdecken, zu fördern und den Athleten das entsprechende Umfeld zu bieten, Höchstleistungen zu erreichen". Erster Vorsitzender des Vereins ist der einstige DDR-Dopingtrainer Gerd Eßer, der früher beim SC Dynamo Berlin Anabolikatabletten an seine Athleten verteilte. Der Deutsche Schwimmverband, der im Frühjahr 2009 eine Neustrukturierung vornahm, hat den Ex-Doper Gerd Eßer übrigens zum neuen Leiter des Bundesstützpunktes Berlin ernannt.

    Tanneberger spitzelte zudem seit 1969 als Inoffizieller Mitarbeiter unter dem Decknamen "Klaus Busch" für die Stasi. Neben politischen Einschätzungen, sogar über 14- bis 16-jährige Schwimmerinnen, informierte Tanneberger 1976 die Stasi über eine Olympia-Kader-Athletin: "Die unterstützenden Mittel haben bei ihr Veränderungen in der Gebärmutter hervorgerufen. Sie könnte keine Kinder bekommen." Auf Nachfrage erklärte Tanneberger heute, er habe damit abgeschlossen.