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Energie-Anbieter
EuGH stärkt Verbraucherrechte

Deutsche Strom- und Gasanbieter müssen ihre Kunden vor einer Preiserhöhung künftig besser informieren. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil festgelegt. Preiserhöhungen der letzten drei Jahre können Kunden zurückfordern, allerdings gibt es dabei einiges zu beachten, erklärt Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher.

Aribert Peters im Gespräch mit Jule Reimer | 24.10.2014
    Ein typischer Wechselstromzähler.
    Der EuGH hat mit seinem Urteil die Rechte von Stromkunden gestärkt. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Jule Reimer: Deutsche Strom- und Gasanbieter müssen ihre Kunden vor einer Preiserhöhung künftig besser über Grund und Umfang informieren. Das hat gestern der Europäische Gerichtshof in einem Urteil festgelegt. Ein Urteil mit Folgen für die Kunden, sagt Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher, und der ist jetzt am Telefon. Herr Peters, sagen Sie uns doch bitte noch einmal genau, was da in Luxemburg entschieden wurde.
    Aribert Peters: Ich grüße Sie!
    Die Grundversorger, die Energieversorger hatten in der Vergangenheit ihre Preiserhöhungen stets auf die in Deutschland geltende gesetzliche Regelung gestützt, und dort steht jetzt gar nicht drin, dass die Versorger berechtigt sind, die Preise zu erhöhen. Dort steht nur drin, diese Preiserhöhung muss den Verbrauchern mitgeteilt werden.
    Da ist die Frage, ob diese Formulierung, ob diese Preiserhöhungen, die so durchgeführt wurden, mit Europarecht vereinbar sind. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt und der Europäische Gerichtshof hat jetzt gesagt: Nein! Diese gesetzliche Regelung, die bisher gilt in Deutschland, genügt den europäischen Standards nicht. Das hat zur Folge, dass die ganzen Preiserhöhungen, die sich auf diese gesetzliche Regelung in Deutschland stützen, ungültig sind.
    Preiserhöhungen zurückfordern
    Reimer: Und was heißt das jetzt für die deutschen Strom- und Gaskunden?
    Peters: Das heißt zweierlei. Erstens: Die Kunden, die schon in der Vergangenheit Protest eingelegt haben, die jetzt irgendwo im Gerichtsverfahren sind, die werden obsiegen. Und zweitens: Für die Kunden, die noch gar nichts gemacht haben, die jetzt einfach ihre Preise bezahlt haben, die können die Strom- und Gaspreiserhöhungen der letzten drei Jahre zurückfordern.
    Rückforderungsanspruch für Grund- und Sonderversorgungskunden bei Strom und Gas
    Reimer: Wie das funktioniert, wollen wir gleich besprechen. Aber sagen Sie mir erst noch mal: Wer darf dort Forderungen aufstellen?
    Peters: Forderungen können die betroffenen Verbraucher, die in der Grundversorgung Strom und Gas sind, stellen. In der Grundversorgung ist man, wenn man noch nicht gewechselt hat. Allerdings gab es schon ein anderes, etwa gleichlautendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom letzten Jahr, wo dasselbe auch für Sondervertragskunden entschieden wurde. Dieser Rückforderungsanspruch gilt sowohl für Grund-, als auch für Sondervertragskunden.
    Reimer: Wie erkenne ich das auf meinem Bescheid? Möglicherweise habe ich mich ja an der Grundversorgung angemeldet, ohne es zu merken.
    Peters: Wenn man sich zunächst anmeldet, ist man automatisch erst mal in der Grundversorgung. Das ist allerdings die teuerste Versorgungsart. Wenn man dann den Anbieter wechselt, dann ist man nicht mehr in der Grundversorgung.
    Reimer: Sie sagten es: Wie lange rückwirkend? Drei Jahre ...
    Peters: Drei Jahre nach Stellung der Jahresabschlussrechnung. Die Forderungen aus 2011, die würden am Jahresende verjähren. Deshalb muss man sich jetzt sputen, wenn dieser neue Anspruch, den der Europäische Gerichtshof den Kunden jetzt einräumt, nicht verjähren soll. Die Änderungen, die praktisch im Jahre 2011 von 2010 auf 2011 bezahlt wurden, die kann man zurückfordern.
    Reimer: Wie läuft so eine Mahnung praktisch? Reicht es, wenn ich da meinem Energieversorger ein Briefchen schreibe?
    Peters: Nein, ein Brief langt nicht. Die Forderung würde verjähren auch mit Mahnbrief.
    Man muss einen schriftlichen Mahnbescheid dem Versorger schicken. Man muss ausrechnen, wie hoch war diese Preiserhöhung, wie viel Euro hat die ausgemacht, und über diesen Betrag muss man dem Versorger einen Mahnbescheid schicken. Das kostet 27 Euro und das kann man im Internet machen. Da muss man unter www.online-mahnantrag.de diesen Mahnantrag sich runterladen und dann abschicken, entweder per E-Mail oder per Post.
    Reimer: Kann ich das auch im Schreibwarenladen erstehen, wenn ich keinen Online-Zugang habe?
    Peters: Das weiß ich jetzt nicht, da bin ich überfragt. Ich glaube schon. Früher war es so. Aber jetzt geht es online über www.online-mahnantrag.de.
    Reimer: Noch ein Wort kurz zum Schluss. Die Preisbildung wird ja eigentlich durch die Kartellbehörden in Deutschland beobachtet. Ist das nicht auch eine Ohrfeige an den deutschen Staat, an den Gesetzgeber?
    Ohrfeige an den Gesetzgeber
    Peters: So kann man es nicht sagen. Das ist eine Ohrfeige für den Gesetzgeber, weil ja die gesetzlichen Regelungen für ungültig erklärt wurden mit diesem Urteil, ganz klar. Mit dem Kartellamt hat das auch nichts zu tun, weil ja die Strom- und Gasmärkte liberalisiert worden sind und weil die Preise nicht mehr kontrolliert werden durch staatliche Behörden. Deshalb ist hier kein Versagen irgendwelcher Preisbehörden zu monieren, aber ein Versagen des Gesetzgebers, weil der Gesetzgeber Regelungen beschlossen hat, die Verbraucher ungenügend schützen vor der Willkür der Versorger.
    Reimer: Vielen Dank! - Informationen zum jüngsten Strompreisurteil des Europäischen Gerichtshofes von Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.