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Energiewende absichern

Die Entscheidung über die Laufzeiten für Atomkraftwerke könnte vielleicht schon diese Woche fallen: Am Freitag will sich Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer beraten, in denen Atommeiler stehen. Genau das fürchten auch diejenigen, die am Atomausstieg festhalten wollen.

Von Philip Banse | 31.05.2010
    20 Vertreter von rund zwei Dutzend Umweltorganisationen, Oppositionsparteien und Verbänden der Erneuerbaren-Energien-Wirtschaft sind gerade vor dem Brandenburger Tor versammelt: SPD und Grüne sind hier; BUND und Greenpeace, aber auch Stromverkäufer wie Lichtblick. Die Atomkraftgegner wollen eine Laufzeitverlängerung verhindern - erst recht, dass diese von der Bundesregierung noch vor der Sommerpause beschlossen wird, also noch bevor das Energiekonzept der Regierung vorliegt. Der Spiegel berichtet ja, dass sich die Bundeskanzlerin am Freitag mit einigen Länderfürsten zusammensetzen will, um zu beschließen, ob, unter welchen Sicherheitsauflagen und wie lange die AKW länger am Netz bleiben dürfen. SPD-Chef Sigmar Gabriel fand deutliche Worte:

    "Die Bundesregierung betrügt die Bürgerinnen und Bürger, denn es geht nicht um ein Energiekonzept. Es geht darum, dass mit einer Laufzeitverlängerung von bis zu 28 Jahre vier Monopolisten am Strommarkt 200 Milliarden Euro mehr verdienen wollen. Dafür will die Bundesregierung den Boden bereiten. Mit einem alten abgeschriebenen AKW macht man eben bis zu einer Million Euro plus am Tag, darum geht es. Es ist die Fortsetzung der Klientelpolitik von CDU und FDP, es ist ein Betrug an denjenigen, die geglaubt haben, es ginge um die Energiesicherheit in Deutschland."

    Es ist ja immer noch umstritten, ob der Bundesrat einer Laufzeitverlängerungen zustimmen muss. Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen hat Schwarz-Gelb in der Länderkammer keine Mehrheit mehr. Für den Fall, dass es in NRW zu einer Großen Koalition kommen sollte, stellte Gabriel klar:

    "Es wird in Nordrhein-Westfalen keine Regierung mit der SPD geben, bei der nicht klar ist, dass wir im Bundesrat dem Antrag auf Laufzeitverlängerung nicht zustimmen würden. Keine Regierungsbildung, bei der nicht klar ist: Wenn die Bundesregierung in den Bundesrat kommt, eine Laufzeitverlängerung beantragt – mit Sozialdemokraten gibt es dafür keine Zustimmung."

    Die SPD werde mit allen Mitteln gegen die Laufzeitverlängerung kämpfen, sagte Gabriel und kündigte mit Blick auf die Versuche der schwarz-gelben Regierung, den Bundesrat in dieser Frage zu umgehen, an:

    "Wenn sie trickst, wenn sie versucht, mit Umgehungstatbeständen, die normalerweise in Bananenrepubliken Anwendung finden, Deutschland zu regieren, dann werden wir Klage erheben – natürlich, da gehe ich von aus, gemeinsam mit den Grünen, wegen der Verletzung der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland."

    Wenn die Bundesregierung jetzt eine Laufzeitverlängerung beschließe, ohne auf ihr eigenes Energiekonzept zu warten, entlarve sich ihre Energiepolitik als "reine Lobbyveranstaltung für die dominierenden Energieversorger in Deutschland", sagte Rainer Baacke, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, war Angela Merkel vor, die Öffentlichkeit hinters Licht geführt zu haben.

    "Es geht nicht um eine Brückentechnologie auf dem Weg in das regenerative Zeitalter. Es geht schlicht und einfach um Klientelbedienung, um Milliardengeschenke an die Atomwirtschaft. Die Mövenpicks des Sommers 2010 heißen EON, RWE, Vattenfall und EnBW."

    "Die Mövenpicks" - damit spielt Baacke auf einen Großspender der FDP an, der von späteren Steuererleichterungen der Regierung profitierte. Der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, Hubert Weiger, sagte, eine Laufzeitverlängerung werde von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Die Bundesregierung müsse den Schutz der Bevölkerung vor Strahlenrisiken ernst nehmen und allein das "müsste eigentlich Anlass sein, den Ausstieg eher zu beschleunigen, statt ihn zu reduzieren. Und dagegen ist es notwendig ein breites gesellschaftliches Bündnis zu formieren, denn die Vertreter der Atomenergie setzen sich eben nicht ein für eine Brückentechnologie, sondern für eine Zukunftsverweigerungstechnologie."

    BUND-Chef Weiger kündigte für den Herbst weitere Protestaktionen an.