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Erste Kronzeugenaussage mit Folgen

Anfang 2009 sorgte Philip Schulz für Schlagzeilen. Nach Jörg Jaksche und Patrik Sinkewitz war er der dritte Doping-Kronzeuge aus dem Radsport - und der erste Amateur. Seine Aussage ist die erste mit strafrechtlichen Folgen. Der Sport hingegen hält sich zurück.

Von Grit Hartmann | 01.09.2010
    Philip Schulz flog Mitte 2008 bei der Rheinland-Pfalz-Meisterschaft als Doper auf. Den Meistertitel verlor er - seine Sperre reduzierte er, indem er als Kronzeuge über die Pharmakultur bei den Radamateuren auspackte. Als Dealer belastete Schulz den Kollegen Bernd Fuhrmann, zugleich Teamchef seines Rennstalls. Gegen den erwirkte die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern jetzt einen Strafbefehl. Nach Zahlung einer Geldsumme wird Fuhrmann, der lange leugnete und am Ende doch gestand, als vorbestraft gelten. Staatsanwalt Rainer Orthen:
    "Insgesamt konnten 13 Fälle letztendlich herausgearbeitet werden, bei denen im Laufe des Jahres 2008 vom Beschuldigten an Mitglieder des Radrennteams jeweils leistungssteigernde Arzneimittel zur Verfügung gestellt worden sind, die dann von diesen auch eingenommen wurden und die dann gedopt an Rennen teilgenommen haben."
    Der 44-jährige Fuhrmann, der Anabolika, Testosteron und Amphetamine weitergab, dirigiert noch immer einen Amateur-Stall und sitzt wie die belasteten Kollegen unbehelligt im Sattel. Philip Schulz fährt für ein belgisches Team. Nach einem Schlüsselbeinbruch verfolgt er zu Hause, was er als Kronzeuge anstieß. Zum Ergebnis hat ihn noch keiner beglückwünscht:
    "Nein, das ist leider ausgeblieben. Mir hat keiner gratuliert, und ich hab auch keine emails bekommen. Das Urteil hätte nur müssen ein bisschen früher kommen, denn das ist dann doch schon ne kleine Belastung, die man so im Hinterkopf hat bei Rennen, weil ich dann, wenn man so will, teilweise als Verräter dagestanden hab."
    Schulz verlangt sportrechtliche Verfahren, vor allem gegen Fuhrmann:
    "Das ist Handel mit Dopingmitteln, das ist das schlimmste Vergehen. Und da sollten also entsprechend Konsequenzen folgen bis auf lebenslangen Lizenzentzug in allen Sportbereichen."
    Bund Deutscher Radfahrer und Nationale Antidoping-Agentur ließen Fuhrmann schon einmal laufen. Monate nach einem auffälligen Befund durfte er ein Attest über eine Nebenhodenentzündung vorlegen - und das, obwohl er in Bestform radelte. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz gegen einen Mediziner, nicht nur wegen des Attests:
    "Es haben sich Hinweise ergeben, das möglicherweise Ärzte oder ein Arzt, wissend, wozu diese Mittel eingesetzt werden, Rezepte ausgestellt hat, damit die entsprechenden Arzneimittel beschafft und dann zu Dopingzwecken eingesetzt werden können."
    Nada und BDR allerdings haben die Ermittlungen in der pfälzischen Doperszene zuletzt ignoriert. Staatsanwalt Orthen versucht es mit einem Tipp:
    "Wenn die Nada nach Abschluss des Verfahrens wieder Akteneinsicht will, dann wird das genauso wenig ein Problem sein, wie das im Ermittlungsverfahren ein Problem war."