Europäische Union
EU-Unterhändler einigen sich auf Abschwächung von Lieferkettengesetz

Unterhändler der EU haben sich auf Lockerungen der Vorgaben zur Überprüfung von Lieferketten verständigt. Die Regeln sollen künftig nur noch für Großunternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten, wie Vertreter der Mitgliedsstaaten und des Europaparlaments in der Nacht in Brüssel mitteilten.

    Ein zwölfjährige Junge webt einen Teppich.
    Ein zwölfjährige afghanischer Junge an einem Teppich-Webstuhl. (picture alliance / AP Images / Rahmat Gul)
    Die Beschlüsse bedeuten eine Abschwächung des Lieferkettengesetzes, ehe es überhaupt in Kraft getreten ist. Ursprünglich waren als Grenze 1.000 Mitarbeitende und eine Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro vorgesehen. Nun müssen die neuen Vorgaben von den EU-Staaten und dem Europaparlament bestätigt werden, was aber als Formsache gilt.
    Ziel des Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Das Vorhaben wurde von Firmen vehement kritisiert. Hauptargument war die ihrer Ansicht nach zu hohe bürokratische Belastung, wenn in den teils komplexen Lieferketten potenzielle Regelverstöße überprüft werden müssen.
    Nach der geplanten Änderung sollen zudem Firmen, die gegen die Regeln verstoßen, auf EU-Ebene keiner zivilrechtlichen Haftung mehr unterliegen. Dadurch entfällt für Opfer von Menschenrechtsverstößen die Möglichkeit, Klage einzureichen. Wenn sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten, soll eine Strafe von maximal drei Prozent ihres weltweiten Nettoumsatzes verhängt werden können. Zudem soll es nach Angaben aus dem Parlament und der EU-Staaten künftig keine Pflicht mehr geben, Handlungspläne für Klimaziele auszuarbeiten.

    Brisante Zusammenarbeit

    Dem jetzt erfolgten Schritt war ein heftiger politischer Schlagabtausch vorausgegangen. Die konservative Europaparlamentsfraktion hatte vor knapp einem Monat mit der Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Regelwerks freigemacht. Zuvor hatten sich auch die EU-Staaten für weniger strenge Vorschriften ausgesprochen.
    Die rechte Mehrheit zugunsten der Abschwächung des Lieferkettengesetzes im Parlament wurde von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen heftig kritisiert. Die Entscheidung war brisant, da die konservative EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, die Mehrheit abseits der üblichen Bündnisse gesucht und gefunden hatte.
    Eigentlich arbeiten EVP, Sozialdemokraten und Liberale in einer Art informeller Koalition zusammen. Sie haben eine knappe Mehrheit im Parlament. Das Lieferkettengesetz dürfte nun aber das erste große Gesetzesprojekt werden, das auch final mit einer klar rechten Mehrheit vom Parlament beschlossen wird. Welche Auswirkungen das auf die kommende Zusammenarbeit von EVP, Sozialdemokraten und Liberalen haben wird, ist noch unklar.

    Kritik von SPD und Grünen

    Der SPD-Europaabgeordnete Wölken sprach von einem schwarzen Tag für Europa, da Menschenrechte und Klimaschutz offenkundig nur noch "billige Verhandlungsmasse" seien. Wölken kritisierte: "Ein Kompromiss mit den demokratischen Kräften des Parlaments wäre möglich gewesen, scheiterte aber an der Erpressungstaktik der Konservativen."
    Die Grünen-Abgeordnete Cavazzini sagte, die Konservativen im Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten hätten damit "den letzten Nagel in den Sarg des EU-Lieferkettengesetzes geschlagen".
    Diese Nachricht wurde am 09.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.