Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Exportschlager Ackerbau

Paläoanthropologie. - Vor etwa 10.000 Jahren wurden die ersten Menschen sesshaft und ernährten sich von Ackerbau und Viehzucht. Forscher fanden nun heraus, dass das Konzept des Ackerbaus nicht nur als Idee nach Schweden überliefert, sondern durch Ackerbauern aus der Mittelmeerregion importiert wurde. Sie vermuten eine regelrechte Völkerwanderung von Süden nach Norden.

Von Christine Westerhaus | 27.04.2012
    Schon während der Steinzeit war Schweden offenbar ein Einwanderungsland. Vor etwa 5000 Jahren gelangten Bauern aus dem Mittelmeerraum nach Skandinavien und ließen sich dort nieder. Die Spuren dieser steinzeitlichen Wanderung entdeckten Pontus Skoglund und seine Kollegen im Genom eines prähistorischen Bauern. Archäologen hatten ihn auf der südschwedischen Insel Gotland ausgegraben.

    "Wir sehen, dass die Menschen, die damals als Bauern in Südschweden gelebt haben, genetisch den heutigen Bewohnern der Mittelmeer-Regionen gleichen. Die DNA der prähistorischen Jäger und Sammler, die zeitgleich in Südschweden gelebt haben, gleicht dagegen eher dem Erbgut heutiger Finnen. Bei Menschen, die so nah beieinander gewohnt haben, würde man aber eigentlich erwarten, dass es deutliche Übereinstimmungen im Erbgut gibt."

    Die menschlichen Überreste der beiden kulturellen Gruppen, die die Forscher von der Uppsala Universität analysierten, stammen von Fundorten, die weniger als 400 Kilometer voneinander entfernt liegen. Anhand charakteristischer Werkzeuge und Keramiken konnten die Skelette eindeutig einer bestimmten Kulturform zugeordnet werden. Beide Gruppen hatten zeitgleich gelebt und offenbar zunächst eine Art Parallelgesellschaft gebildet: Erst später kam es auch zu familiären Verbindungen zwischen den Bauern und den Jägern und Sammlern. Diesen Schluss zogen die Forscher, als sie das genetische Profil heute lebender Schweden mit dem Erbgut der Steinzeitmenschen verglichen.

    "Erst mit der Zeit vermischten sich die beiden kulturellen Gruppen. Deshalb sieht das Genom der heutigen schwedischen Population eher aus wie ein genetischer Mix aus den einheimischen Jägern und Sammlern und den zugewanderten Bauern. Das DNA- Profil der Menschen, die heute in Finnland oder Russland leben, ähnelt dagegen eher dem der steinzeitlichen Jäger und Sammler. Vermutlich ist der Ackerbau in Finnland erst später als Technik übernommen worden, als sich die beiden Kulturen in Schweden bereits vermischt hatten."

    Bisher ist es Pontus Skoglund und seinen Kollegen jedoch nur gelungen, das Erbgut eines einzigen Bauers zu rekonstruieren, der während der Steinzeit in Schweden gelebt hat. Die Datenlage ist also dünn. Dennoch sind sich die Forscher sicher, dass dieser Bauer den Beweis dafür liefert, dass der Ackerbau nicht als Idee exportiert wurde sondern in Form von Menschen, die dieses Wissen mit sich trugen.

    "Dieses Individuum hat definitiv vor 5000 Jahren als Bauer in Schweden gelebt. Sein genetisches Profil stimmt aber am ehesten mit Menschen überein, die heute auf Sardinien oder Zypern leben. Das würden wir niemals erwarten, wenn sich der Ackerbau nur als kulturelle Idee von Anatolien bis nach Nordeuropa verbreitet hätte. Außerdem gleicht das genetische Profil unseres Fossils dem anderer Bauern aus der Steinzeit, die in Deutschland ausgegraben wurden."

    Vermutlich gab es also in der Steinzeit eine regelrechte Völkerwanderung von Süden nach Norden. Und die Analyse prähistorischer DNA trägt damit einmal mehr dazu bei, den Verlauf der Geschichte zu rekonstruieren.

    "Vermutlich gab es auch andere Ereignisse innerhalb der letzten 5000 Jahre, die das genetische Profil der Schweden und anderer europäischer Völker beeinflusst haben. Doch wir haben mit dieser Studie den vielleicht wichtigsten Prozess dokumentiert: Den Moment, als die ersten Bauern nach Skandinavien und Nordeuropa kamen."