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"Fantaisie"
David Fray mit Werken von Schubert

Die "Fantasia" gibt es schon in der 'Alten' Musik, doch vor allem in der Romantik stand diese Gattung hoch im Kurs: Unter dem Titel 'Fantaisie' hat der französische Pianist David Fray zusammen mit Jacques Rouvier nun eine CD mit späten zwei- und vierhändigen Klavierwerken von Franz Schubert herausgebracht – eine interessante Zusammenstellung.

??? | 08.02.2015
    Der österreichische Musiker und Komponist Franz Schubert (1797 – 1828) in einer undatierten zeitgenössischen Darstellung
    Der österreichische Musiker und Komponist Franz Schubert (1797 – 1828) in einer undatierten zeitgenössischen Darstellung ( picture-alliance / dpa)
    Während viele seiner Kollegen wie etwa Nicolo Paganini oder Franz Liszt etliche Fantasien über Arien aus bekannten Opern mit halsbrecherisch virtuosen Variationen komponierten, schwebte Schubert eher die Entwicklung einer neuen musikalischen Form vor. Vermutlich kannte er die zwei Sonaten‚ quasi una fantasia' op. 27 des verehrten Ludwig van Beethoven, von denen die erste vier fast nahtlos ineinander übergehende Sätze aufweist. Obwohl Schubert die klassische Sonatenform in etlichen Werken anwandte, hat er gerade im Bereich der Klaviermusik immer wieder versucht, sie mit der eher freien Fantasie zu kombinieren. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte 'Wandererfantasie', die im November 1822 entstand und die Franz Liszt zu seiner h-Moll-Sonate inspirieren sollte.
    Kleines Werk mit großem Potenzial
    Knapp zwei Jahre später, im Spätsommer 1824, komponierte Schubert auf dem Landgut der Familie Esterhazy im Königreich Ungarn die ungarische Melodie D 817; dieses kurze melancholische Stück verarbeitete er auch in seinem dreisätzigen fantasieartigen 'Divertissement à l'hongroise' über Zigeunerweisen. Aber nicht nur dort: Auf seiner neuen CD setzt David Fray Schuberts 'Ungarische Melodie' ganz bewusst vor dessen 'Fantasie' f-moll D 940 aus dem Jahr 1828; denn ihr Hauptthema hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Melodie.
    Die internationale Karriere begann für David Fray quasi über Nacht: 2006 sprang er in einem Konzert für die erkrankte Hélène Grimaud ein – und wurde als Shootingstar gefeiert. Drei Jahre später spielte der französische Pianist mit den Impromptus op. 90 und dem Moments musicaux D 780 erstmals Werke von Schubert auf CD ein. Sein jetziges Album 'Fantaisie' besticht nicht nur durch eine überaus tiefgründig sensible und nuancenreiche Interpretation, sondern ist auch eine interessante Zusammen- beziehungsweise Gegenüberstellung von Werken aus Schuberts letzten Schaffensjahren.
    Verkaufstechnische Titeltrickserei
    Als Pendant zur f-moll-Fantasie und dem als 'Lebensstürme' bezeichneten berühmten Allegro a-moll für vier Hände, die David Fray zusammen mit seinem ehemaligen Lehrer Jacques Rouvier spielt, fungiert die Klaviersonate G-Dur D 894. Sie entstand im Oktober 1826 zwei Jahre vor Schuberts Tod. Ihren Beinamen 'Fantasie' erhielt sie 1827 durch den Wiener Verleger Tobias Haslinger: Der änderte die Tempoangabe 'Molto moderato e cantabile' für den ersten Satz in die Bezeichnung 'Fantasia' um – offensichtlich aus verkaufstechnischen Gründen und wohl mit Schuberts Billigung. Allerdings spiegelt sie durchaus treffend dessen überaus ungewöhnlichen Charakter. In einem Interview verglich David Fray das Hauptthema des ersten Satzes aus Schuberts G-Dur-Sonate mit der spiegelglatten ruhigen Oberfläche eines Sees, die nichts über die darunter verborgenen Untiefen verrät. Dass es dort aber gehörig brodelt, macht der Mittelteil deutlich.
    Wie im Falle der G-Dur-Sonate wird wohl auch beim Titel des Allegro in a-moll für Klavier zu vier Händen, das Schubert im Mai 1828 vollendete, der Verleger seine werbewirksamen Ideen im Spiel gehabt haben: 12 Jahre nach dem Tod des Komponisten veröffentlichte Anton Diabelli das Werk als ‚Lebensstürme, ein charakteristisches Allegro'. Der Titel passte zum damaligen Blick auf den jung verstorbenen genialen, aber verkannten Künstler, dessen Kompositionen wie die sogenannte ‚Große' C-Dur-Sinfonie zu dieser Zeit gerade wieder entdeckt wurden. Darüber hinaus sind die 'Lebensstürme' eine ideale Abrundung des Schubert-Programms auf David Frays 'Fantaisie'-Album; zusammen mit Jacques Rouvier leuchtet er eindrucksvoll die leidenschaftliche Dramatik des zwischen Sonatensatz und Fantasie stehenden Werkes aus. Eine Interpretation, die unter die Haut geht.
    "Fantaisie", Werke für Klavier von Franz Schubert mit David Fray und Jacques Rouvier, Klavier
    Erato/Warner Classics 0825646 166992