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Fatale Folgen

7,5 Millionen Menschen leben in Deutschland mit der Diagnose Altersdiabetes. An den wenigsten Tagen spüren sie Beschwerden. "Das bisschen Diabetes", mag sich manch einer denken, "das macht doch nichts". Was viele nicht wissen: auch schon ein leichter Diabetes belastet auf lange Sicht Herz und Gefäße. Nicht selten wird die Zuckerkrankheit erst diagnostiziert, wenn ihr langsames Wirken fatale Folgen zeigt.

Von Katrin Zöfel | 14.07.2009
    Sigrid Bachmann ist 59 Jahre alt. Als ihr Herz sich vor zwei Jahren zum ersten Mal schmerzhaft bemerkbar machte, kannte die agile Frau den Zusammenhang zwischen Diabetes und Herzleiden noch nicht.

    "Dann fing es mit Herzstichen an. Und die Herzstiche waren also so, dass ich das Gefühl hatte, an Atemnot zu leiden."

    Weshalb sie zunächst Lungenbeschwerden vermutete. Als sie dann im Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen genauer untersucht wurde, stellte sich heraus: eines ihrer Herzkranzgefäße war fast komplett verstopft. Nur ein zügig anberaumter Eingriff, bei dem ihr ein sogenannter Stent, der das Gefäß künstlich aufweitet, eingepflanzt wurde, verhinderte, dass es zum Infarkt kam. Sigrid Bachmann war schon seit Jahren in Behandlung wegen ihrer Zuckerkrankheit. Anderen fällt ihr Diabetes erst auf, wenn es fast zu spät ist.

    "Der Diabetes ist schon viele, viele Jahre unerkannt im Körper und plötzlich durch ein großes Unglück, wie einen Herzinfarkt, wird er erkannt,"

    sagt Professor Diethelm Tschöpe, der das Diabeteszentrum am Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen leitet. Die Zahlen sprechen für sich: Zwei von drei Zuckerkranken sterben an Gefäßkomplikationen, vorwiegend am Herzinfarkt. Die Zuckerkrankheit, erklärt Tschöpe, belastet auf zwei verschiedenen Wegen das Blutkreislaufsystem. Zum einen: Die Körperzellen von Diabetikern können die Energie, die ihnen als Glukose zur Verfügung steht, nicht so effizient nutzen wie ein gesunder Mensch. Was für alle Körperzellen gilt, macht sich beim Herzen besonders bemerkbar:

    "Der Diabetiker ist also nicht in der Lage, dem Herzen dann, wenn es erforderlich ist, ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen, und dadurch fängt das Herz an beispielsweise unter Belastungsbedingungen ineffizient zu werden."

    Der zweite Weg, über den der Diabetes auf das Gefäßsystem wirkt, sind die Gefäße selbst. Der erhöhte Zuckergehalt im Blut fördert die Arteriosklerose der großen Blutbahnen.

    "Die Gefäßwand unterliegt ganz natürlichen Mechanismen des Alterns. Sie befindet sich in einem natürlichen Austausch mit dem Blutsystem. Und wenn das Blut eben Konzentrationen von Schadstoffen und von Metaboliten, wie eben dem Blutzucker enthält, dann reagiert die Gefäßwand auf die veränderte Konzentration und zwar mit einer Verdickung ihrer Wand."

    Diese Verdickung verkalkt mit der Zeit, die Gefäße verengen sich, die Durchblutung wird gestört. Zum anderen schädigt die Zuckerkrankheit auch die feinen Mikrogefäße des Blutsystems. Die Blutzellen von Diabetikern sind weniger flexibel und dazu noch klebriger als die eines gesunden Menschen. Sie bleiben deshalb häufiger in den feinen Verästelungen stecken und verstopfen die Flußbahn. Und: das sensible Ventilsystem, mit dem die Blutgefäße regulieren, wann wohin wie viel Blut fließt, ist empfindlich gestört. Die Zellen, die die Gefäße auskleiden und für diese Feinregulation verantwortlich sind, werden durch den veränderten Diabetes-Stoffwechsel geschädigt.

    Die Zuckerkrankheit sollte man also nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die kleine Veränderung im Stoffwechsel hat Folgen für den ganzen Organismus. Viele Zusammenhänge sind noch nicht geklärt. Sigrid Bachmann, die nun die Risiken kennt, misst nicht mehr nur regelmäßig ihren Blutzuckerspiegel sondern kontrolliert auch ihren Blutdruck. Dazu hat sie sich sanfte Sportarten ausgesucht, die inzwischen selbstverständlich zu ihrem Wochenablauf gehören.

    "Ich habe das Walken jetzt zu meiner Therapie gemacht. Ich bin nicht groß die Sportskanone, aber was möglich ist, das versuche ich einzubauen. Man soll sich ja auch nicht überfordern."