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Feierabendkultur und Hermann Hesse

Ein Jahr im Ausland verbringen, eine neue Sprache lernen - viele junge Amerikaner verwirklichen diesen Wunsch mithilfe des Parlamentarischen Patenschafts-Programm - eine Kooperation zwischen dem amerikanischen Kongress und dem Deutschen Bundestag. Manche bleiben nach dem Austausch sogar in Deutschland.

Von Miriam Berger | 30.08.2013
    Mickey Mangan hat Deutsch gelernt – und ein ganzes Jahr lang konnte man den Amerikaner im Internet dabei verfolgen: als Gastgeber seiner selbst erdachten, per Handykamera aufgezeichneten "Lernen-to-talk-Show". Wöchentlich dokumentiert Mickey darin in Gesprächen mit Freunden oder zufällig aufgegabelten Studenten seinen Fortschritt – und übersetzt auch mal Beatles-Lieder ins Deutsche.
    " Hilfe! Ich brauche jemand! Hilfe! Nicht nur irgendjemand, Hilfe! Du weißt, ich brauche jemand, Hiiilfeee"

    Das war vor zwei Jahren. Mittlerweile lebt Mickey Mangan in Köln und hat mit der Sprache keine Probleme mehr. Jamie Butcher und Jeremiah Lewis sind dagegen erst seit Anfang August hier. Zurzeit beschäftigen sie sich mit vier Stunden Deutschkurs am Tag.

    " Ich glaube, am Anfang ist es eigentlich ganz leicht, weil vom Wortschatz her, Englisch und Deutsch sind eigentlich gar nicht so anders. Aber um die Grammatik muss man sich schon ein bisschen anstrengen, das ist manchmal ein bisschen unklar, besonders bei den Deutschen, weil sie wissen selbst nicht, was es alles so heißt. Dafür braucht man richtig so einen Sprachkurs. "

    Jamie Butcher studierte in ihrer Heimat vier Jahre lang Biochemie. Ihr gutes Deutsch hat sie sich von einem Schüleraustausch vor fünf Jahren bewahrt. Land und Leute haben es ihr angetan und so ist sie in diesem Jahr als Stipendiatin nach Deutschland zurückgekehrt. Jeremiah Lewis aus Chicago hat in den USA einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen - und sich hier längst mit seiner Kölner Nachbarschaft vertraut gemacht.

    "Ich war Sonntag vor einer Woche in eine Kneipe gegangen und hab mich nach vielleicht einer Viertelstunde so ganz zu Hause gefühlt. Es gab so Stammgäste, die haben gesagt: Oh, ja, der arme Typ, der kennt so gar niemanden in der Gegend, wir wollen dass der soviel Kölsch wie möglich trinkt, auch bezahlen wir gerne dafür. Und das war ja super. "

    "Also, was ich besonders in Köln am Schönsten finde, muss ich ehrlich sagen, sind so die ganzen vermischten Gebäude, zwischen römischen und alten Gebäuden und neu wieder gebauten Gebäuden nach dem Krieg, so was findet man eigentlich in den USA nicht, so eine vermischte Geschichte."

    Dass man allerdings in Deutschland auf der Straße ungeniert Alkohol trinken darf, ist etwas, an das sich Jamie noch gewöhnen muss.

    "Besoffene Leute mitten in der Stadt, immer mit der Bierflasche in der Hand, das fand ich eigentlich gar nicht so schön."

    Jamie und Jeremiah können sich vorstellen, nach ihrem Austauschjahr irgendwann nach Deutschland zurückzukommen. Mickey Mangan ist einfach dageblieben. Er arbeitet in der "TonBildFabrik" in Köln-Ehrenfeld, einer jungen, kreativen Medienproduktionsfirma, die ihm nach seinem Praktium einen Job anbot. Dort sind er und seine Kollegen zurzeit vor allem mit Renovieren beschäftigt.

    "Hi! Guck mal was wir geschafft haben! Das hier ist die Halle, wo wir die ganzen Sendungen drehen werden. Produktionsleitung hab ich gemacht, ich habe mich um Finanzen gekümmert für verschiedene Projekte und so kleine Teams zusammengestellt, Drehablauf organisiert, Aufbau und Abbau, Konzepte schreiben ein bisschen auch, insgesamt Effizienz verbessern."

    Wenn er mal nicht arbeiten musste, ist Mickey unterwegs gewesen und hat fast alle deutschen Bundesländer bereist. Freiburg hat ihm besonders gefallen – und eine kleine Halbinsel in der Nähe von Radolfzell.

    "Auf der Höri - das ist mein Lieblingsort in Deutschland, es ist so schön da. Und ich bin ein großer Hermann-Hesse-Fan und er hat dort auch gewohnt."

    Im September zieht es Mickey nach zwei Jahren erst einmal wieder in die USA. Gründe, nach Deutschland zurückzukehren, gibt es aber genug. Einer ist das, was man auch als Deutscher unter dem Begriff "Work-Life-Balance" kennt:

    ""Es gibt in Amerika kein Wort für ‚Feierabend‘. Hier kann man einen Laden anrufen und etwas bestellen und sie sagen: ‚Ah, Tschuldigung, Feierabend!’, und legen dann auf. Das passiert nicht in Amerika weil es kein Wort dafür gibt! Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich ein glückliches Leben als Ingenieur hier haben könnte. "