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Festival Europoly
Eurokrise im Theater

Europa steht im Zeichen der Krise. Doch dahinter stehen Menschen und konkrete Lebensrealitäten. Das Festival Europoly an den Münchener Kammerspielen bringt das auf die Bühne und interessiert sich für die neuen Spielregeln in Europa.

Von Andi Hörmann | 16.02.2016
    Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße.
    "Europoly" ist ein europäisches Theater- und Filmprojekt des Goethe-Instituts in Kooperation mit den Münchner Kammerspielen, dem Onassis Kulturzentrum Athen, Sirenos – internationales Theaterfestival Vilnius, Teatro Maria Matos Lissabon und Tiger Dublin F (imago/ecomedia/robert fishman)
    Hinter den Kulissen der Münchner Kammerspiele: Ein Labyrinth aus Gängen - Trepp auf, Trepp ab - Türen fallen ins Schloss, andere stehen weit offen.
    "Europoly ist ein produzierendes Festival."
    Sechs Tage, fünf Theaterstücke - vier davon Premieren. Inszenierungen aus Deutschland, Irland, Litauen, Griechenland und Portugal. Kuratiert hat das Festival "Europoly" die Berlinerin Anna Mülter.
    "Wir haben uns für die Gruppen entschieden und dann mit denen darüber geredet, was sie für ihr Land, für ihre spezifische Situation, relevant finden, als Thema aufzugreifen."
    Europa im Zeichen der Krise
    Europa im Zeichen der Krise. Die erste Assoziation zu "Europoly": klar, Monopoly! Das Spiel mit dem Kapitalismus. Geld regiert die Welt, Schulden zerfressen das System. Würfel fallen, Schicksale verhallen - das Theater mischt die Karten, bringt die Krise auf die Bühne.
    "Als wir das Thema Krise festgelegt haben, war auch der erste Schritt von Matthias Lilienthal und mir, zu sagen: Wir machen das Ganze nicht als eine Stadttheater-Kooperation innerhalb von Europa, sondern wir kooperieren ganz explizit mit Partnern aus der freien Szene, um auch die freien Szenen vor Ort zu unterstützten. Weil die sind diejenigen, die als Allererstes und am drastischsten gekürzt werden."
    "Clean City", "Saubere Stadt" heißt die Inszenierung aus Athen: Fünf Putzfrauen als Superheldinnen des Alltags. Aus Litauen kommt ein Musik-Theater für Klavier und Supermarkt-Scanner: Verkäuferinnen als Popstars im Alltag. Die Theatermacher aus Dublin drehen mit "Brokentalkers" den Spieß um und blicken aus Perspektive der Geflüchteten auf unsere Wohlstandsgesellschaft. Aus der freien Szene in Lissabon gibt es beim Festival "Europoly" dann auch mit "Monday - Watch out for the Right!" ein Tanztheater - die Krise als Performance.
    "Das ist eine Arbeit von der Choreografin Cláudia Dias, und die hat für das Projekt Boxen gelernt. Sie sagt: Ihr Alltag ist eigentlich bestimmt von so einem permanenten Kampf, von so einem Zu-Boden-Gehen und wieder Aufstehen und Weiter-Kämpfen. Das heißt: Sie zeigt in einem Boxkampf zehn Runden auf der Bühne und dazu gibt es Texte aus ihrer subjektiven Sicht als Portugiesin auf diese Krisen-Nation Portugal."
    "Als die Krise begonnen hat, wurde in Portugal die Freie-Szene-Förderung plötzlich von einem Tag auf den anderen auf null Euro gekürzt."
    "Mein Name ist Anna Fries und ich bin Teil der Medien-Theater-Gruppe machina eX. Wir stehen hier auf der Probebühne 3 der Münchner Kammerspiele und wir sind Mitten im Entstehungsprozess unseres neuesten Stücks, oder vielmehr Spiels. Das heißt 'Lessons of Leaking'."
    Berliner Medien-Theater-Kollektiv
    Das Berliner Medien-Theater-Kollektiv machina eX spielt mit dem Virtuellen im Realen - oder umgekehrt. Die Bühne ist zweigeteilt: Auf der einen Seite ein Hacker-Space mit Computer-Monitoren auf denen Software-Codes durchlaufen, auf der anderen Seite ein Yuppie-Yuppie-Loft, in dem das Pärchen Clara und David ein in Bites und Bytes vernetztes Leben fristet - inmitten von Zimmerpflanzen und Computer-Technik, Telefone und Mobiliar. Analoges Interieur verkabelt mit digitalen Schnittstellen als hyperrealistisches Bühnenbild. Die Theaterbesucher werden zu Gehilfen der Schauspieler im Lösen von Rätseln und Problemen, zum Beispiel am Schreibtisch-Tresor:
    "Clara und David haben jeweils einen solchen kleinen Tresor. Das Publikum muss an einer Stelle des Spiels den Tresor knacken - in ziemlich alter Detektiv-Manier. Das ist also sozusagen mehr oder weniger ein akustisches Spiel. Wenn das Publikum den richtigen Code eingibt, dann spuckt das System zum Beispiel einen Sound aus."
    Codes erkennen, Zeichen lesen - im virtuellen wie im realen Leben. Der Tresor ist dabei auch ein wenig Sinnbild für die Misere in Europa. Auf dem Festival "Europoly" an den Münchner Kammerspielen wird sie in den nächsten Tagen im Theater durchleuchtet - mit Filmen, Performances und Bühnenstücken. "Europoly" heißt dabei auch: Die Welt steht Kopf, aber wir sind viele. Wir nehmen die Würfel, nein unser Schicksal in die Hand.