Er ist ein Mann wie ein Kuschelbär – groß und bisschen tapsig. Ein dunkler Bart wuchert über sein Gesicht - an der Oberlippe kokett nach oben gezwirbelt. Firas Alshater scheint immerzu zu schmunzeln. Ein Lächeln, sagt er, hilft mehr als tausend Worte.
"Mit jedem Thema kannst du auch Humor einsetzen. Ich erzähle, wie normalerweise Integration für mich aussieht. Das ist, was ich in meine YouTube-Video zeigen will."
"Hallo Leute und Herzlich Willkommen in mein erstes Video für euch. Mein Name ist Firas Alshater. Ich wohne in Berlin seit zweieinhalb Jahre und ich komme aus Syrien. Heute will ich mein erstes Zukar-Stückchen euch zeigen."
Zucker schmeckt süß, auch wenn bittere Medizin drauf geträufelt wird. Als im sächsischen Clausnitz ein Bus mit Flüchtlingen attackiert wurde, inszenierte Firas Alshater im Video ein Trainingscamp, in dem sächsische Wutbürger ein Flüchtlingsbaby streicheln durften.
"Es war gar nicht so schlimm. Es hat sogar fünf Finger. Ich habe nachgeguckt."
Humor: Mal naiv, mal tiefschwarz
Mal ist Firas Alshaters Humor tiefschwarz, mal kindlich naiv. Er hat in seinen Videos den Osterhasen gesucht und einen Imam gefragt, ob Christen und Moslems gemeinsam feiern dürfen. Der Geistliche stimmte vorbehaltlos zu. Zusammenleben kann so einfach sein. Doch was ist mit Flüchtlingen, die die westliche Kultur verachten, Frauen angrabschen oder gewalttätig werden? Darauf ist Firas Alshater in seinen Videos bisher kaum eingegangen. Wenn man ihn direkt darauf anspricht, weicht er aus.
"Die Frage ist, wie viel Kriminelle gibt es jeden Tag in Deutschland? Welcher Teil davon sind Flüchtlinge?"
Natürlich ist es nicht geschickt, bei diesem sensiblen Thema mit Statistik zu argumentieren. Im Bereich Ausländerkriminalität gab es im vorigen Jahr eine steigende Tendenz. Doch Firas Alshater brennen andere Themen mehr auf den Nägeln. In seinem ersten Video stellte er sich mit verbundenen Augen in eine Fußgängerzone. Neben ihm konnte man auf einem Schild lesen, dass er Flüchtling sei und den Wunsch hätte, von den Passanten umarmt zu werden.
"Und wisst ihr, was als Erstes passiert ist?"
Ein Tourist stellte sich neben ihn und machte ein Selfie. Es dauerte eine Weile, bis sich die ersten trauten, den bärtigen Mann zu umarmen. Doch dann gab es kein Halten mehr.
"Ich hab gelernt, die Deutschen brauchen längere Zeit, aber dann sie sind nicht zu stoppen. Darum glaube ich, die Integration wird klappen. Irgendwann."
Über Nacht bekannt
Die Botschaft ist einfach, doch sie brachte Firas Alshater schon am ersten Tag nach der Veröffentlichung 100.000 Klicks ein. Er war über Nacht zum bekanntesten Flüchtlings-YouTuber Deutschlands geworden.
"Das war das Krasseste, was passiert ist in mein Leben, den Tag danach habe ich, glaube ich, 15 Interviews gemacht, und seitdem alles geändert. Nur seit ich das erste Video gemacht habe, haben mir zehn Verlage geschrieben: Die wollen mit mir gern ein Buch schreiben."
Firas Alshater ist erst 25, hat aber schon einiges erlebt. Als 2011 in Syrien der Aufstand gegen das Assad-Regime begann, studierte er Schauspiel in Damaskus. Er ging auf die Straße und filmte das Vorgehen der staatlichen Sicherheitsorgane.
"Die Strafe war, dass ich verhaftet wurde und neun Monate im Gefängnis geblieben. Keiner von meiner Familie wusste, ob ich am Leben bin, ob ich gestorben bin, bis das die viel Geld bezahlt haben, um meine Befreiung zu kaufen."
Firas Alshater ging erst in den Libanon, dann in die Türkei. Auf Einladung einer Filmproduktionsfirma kam er nach Deutschland, um bei der Fertigstellung einer Dokumentation zu helfen, deren Autor bei den Kämpfen in Syrien getötet worden war. Seine Aufenthaltserlaubnis ist befristet.
"Gestern wollte ich zur Ausländerbehörde. Da wollte ich meine Aufenthaltserlaubnis verlängern. Es stehen keine Termine im Internet. Da bin ich dorthin gegangen und wollte eine Nummer nehmen – es gibt keine Nummer. Wieso? Ich muss um drei Uhr nachts kommen, um eine Nummer zu holen. Wo leben wir? Wieso soll ich um drei Uhr nachts kommen, um eine Nummer zu holen? Das ist einfach schlimm."
"Den Hass mit Liebe zu bekämpfen"
Firas Alshaters Gesicht wird finster – doch nur für einen Augenblick. Er lebt gern in Deutschland – vor allem, weil er hier frei seine Meinung sagen darf. Auf den Erfolg seiner Videos ist er stolz.
"Mein Ziel ist es einfach, zu zeigen, dass Flüchtlinge was machen können: den Hass mit Liebe zu bekämpfen. Das ist, was ich versuche, nicht Hass zeigen gegen die Leute, die uns hassen, sondern da zeige ich Liebe und Humor, um die Leute zu gewinnen."
Gerade erst hat Firas Alshater mit einer Crowdfunding-Kampagne mehr als 14.000 Euro eingeworben. Seine Erfahrungen mit der Ausländerbehörde dürften satirisch gewürzt, als Zukar-Videos bald im Internet zu finden sein.