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Flüchtlingsdebatte
Die Verwirrung der Parteien und Positionen

Zu Pfingsten betonen Kirchenvertreter die Botschaft der Verständigung. Doch wie schwierig das aktuell ist, zeigt die andauernde Debatte um die Flüchtlingspolitik: Die Bundeskanzlerin muss sich einmal mehr die Kritik und Forderungen gefallen lassen - nicht nur von Horst Seehofer.

Von Michael Borgers | 15.05.2016
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht am 03.05.2016 in Berlin bei das französische Gymnasium Lyceé Francais
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt wegen des EU-Türkei-Deals in der Kritik (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Gerade erst hat Österreich erklärt, vorerst auf Kontrollen am Brenner zu verzichten. Ein Thema weniger also in der großen europäischen Diskussion um die richtige Flüchtlingspolitik? Nicht für Horst Seehofer. Der CSU-Vorsitzende bietet dem Nachbarland die Unterstützung seiner Landesregierung an. Die Abriegelung des Alpenpasses halte er für richtig, sagte Seehofer der "Welt am Sonntag" - sollten wieder mehr Flüchtlinge kommen. Aktuell ist das nicht der Fall, dennoch nutzt der 66-Jährige die Gelegenheit für den nächsten Verbalschlag gegen Angela Merkel.
    Die rückgehenden Zahlen seien nicht das Verdienst der CDU-Kanzlerin. Sie seien allein Mazedonien und Österreich und deren Schließung der Balkanroute zu verdanken. Ohne diese Maßnahme wäre das Abkommen mit der Türkei kaum möglich gewesen. Das Abkommen sei zudem Ursache für das Erstarken der rechtspopulistischen AfD. Und überhaupt dürfe man sich nicht von Ankara abhängig machen.
    Während der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, zu Pfingsten in München Tendenzen in der Gesellschaft kritisiert, "neue Mauern aufzubauen", nutzen die Christsozialen den Kurznachrichtendienst Twitter für eine sehr bayerische Auslegung des christlichen Festes:
    Die SPD-Parteizentrale macht sich auf Twitter am internationalen Tag der Familie, der ebenfalls an diesem Sonntag ist, auch für dieses Thema stark. Sie nimmt mit Blick auf den EU-Türkei-Deal in Person von Partei-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel wie die CSU die Kanzlerin in die Pflicht: Die Sozialdemokraten erwarteten, "dass Angela Merkel die Bedingungen des Deals durchsetzt und nicht vor Erdogan kuscht", sagte Schäfer-Gümbel der "Welt am Sonntag". Ihre Verantwortung sei es, dass das Abkommen funktioniert.
    "Es bringt überhaupt nichts, den Konflikt von hier aus anzuheizen", mahnt dagegen Frank-Walter Steinmeier. Er rate dazu, das Interesse der Türkei an dem Abkommen und der damit verbundenen Visa-Freiheit nicht zu unterschätzen, führte der Außenminister (ebenfalls SPD) gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel" aus. Der Ball liege jetzt im türkischen Spielfeld: "Ankara muss uns sagen, wie es gedenkt, die offenen Fragen zu beantworten."
    Und die christliche Botschaft von Pfingsten? Findet sich bei Genosse Michael Roth. Der Staatsminister für Europa sucht den inhaltlichen Brückenschlag zur aktuellen politischen Situation:
    Auch die Opposition kommt zu Wort: Grünen-Chef Cem Özdemir meint, der Türkei-Deal habe die EU erpressbar gemacht. Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht macht Merkel verantwortlich dafür, "dass Europa sich gegenüber dem autoritären türkischen Regime erpressbar gemacht hat". Erdogan fühle sich gestärkt, Menschenrechte mit Füßen zu treten.
    Ähnlich äußerte sich im Deutschlandfunk die menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Erika Steinbach. Auch sie beklagte, in der Türkei würden die Menschenrechte mit Füßen getreten.
    Nicht eine Sprachverwirrung prägt Pfingsten in diesem Jahr, aber eine der Parteien und Positionen. In der Debatte um die richtige Flüchtlingspolitik.