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Flüchtlingsschicksal
Traumatisierung durch erzwungene Rückkehr

Sie werden wegen ihrer Sprache oder ihrer Mentalität diskriminiert, haben Freunde zurückgelassen und wissen sich oft nur mit Medikamenten über den Verlust der Heimat hinwegzuhelfen. Wenn Geduldete aus Deutschland in ihre vermeintliche Heimat zwangsrückkehren müssen, kann das schlimme Folgen haben. So wie für Denis aus Rheinland-Pfalz.

Von Anke Petermann |
    Ein Mann in einem Mantel läuft durch eine Straße.
    Denis Hasic verließ 2005 auf Drängen der Behörden Deutschland und kehrte nach Serbien zurück. Heute ist er psychisch und körperlich am Ende, verloren zwischen der alten und der vermeintlich neuen Heimat. (imago / Westend61)
    Am Wochenende zog Denis Hasic in die neue Flüchtlings-Zeltstadt am Rande von Bitburg in der Eifel ein. Die Camps, Notlösungen, die es eigentlich nicht geben dürfte, bedauern rheinland-pfälzische Politiker und Behördensprecher. Mit 130 Männern teilt der junge Serbe das Zelt, kein Problem, meint er.
    "Ich bin seit zehn Tagen hier, ich habe drei mal das Heim gewechselt, und das hier ist das Beste von allen. Die Leute hier sind so nett",
    schwärmt der hagere 23-Jährige. Der Einzige im Camp, der akzentfrei Deutsch spricht. Er fühlt sich erleichtert wie ein Spätheimkehrer. Nach Deutschland kam er erstmals 1992. Da flohen seine Eltern vor dem Jugoslawienkrieg, zwei Monate alt war Denis damals.
    "Ja, ich hab da zwölf Jahre lang gelebt in Deutschland. In Budenheim, wo Mainz ist. Mein erstes Wort war auf Deutsch. Ich hatte in Deutschland gute Freunde, gute Lehrer, gute Nachbarn."
    Von einer Duldung zur nächsten
    Die Mutter arbeitet als Erzieherin. Die Hasics leben von einer Duldung zur nächsten. Unter dem Druck bevorstehender Abschiebung muss die Familie 2004 innerhalb von einer Woche ausreisen. Für den zwölfjährigen Denis heißt das: Die netten Lehrer, Schulkameraden, Nachbarn von heute auf morgen verlassen. Schon damals ist absehbar, dass junge Leute wie er und Erzieherinnen wie seine Mutter in Deutschland gebraucht werden. Doch das neue Zuwanderungsgesetz, das langfristig Geduldeten eine Chance gibt zu bleiben, kommt erst 2005.
    Unmittelbar vorher werden besonders viele zur Ausreise gedrängt. Auch aus Bosnien und dem Kosovo, erinnert sich Ulrich Sextro, Flüchtlingsreferent bei der Arbeitsgemeinschaft Diakonie Rheinland-Pfalz:
    "Wir haben damals viele Familien, viele junge Menschen mit viel Potenzial wieder zurück geschoben in eine Region in eine Zukunft, die völlig ungewiss war. Das wäre heut vielleicht in dem Ausmaß nicht mehr möglich, aber damals war es dann eben so. Das ist kein Einzelfall."
    In der Heimat diskriminiert
    Als Denis zurückkehrt, muss er Serbokroatisch erst noch lernen. Serbien erlebt der damals Zwölfjährige nicht als neue Heimat. Sondern als rassistisch und nationalistisch. Er fühlt sich diskriminiert. Nicht weil seine Familie der muslimischen Minderheit angehört – er selbst ist ja gar nicht religiös. Sondern, weil er deutsch denkt und mit deutschem Akzent spricht - ein Ausländer und ewiger Außenseiter, der den Eindruck hat, im serbischen Schulsystem zu wenig zu lernen.
    "Die deutsche Mentalität und die deutsche Kultur, das kannst du nicht vergessen. Ich hab's versucht, mit Tabletten. Ich hab's nicht geschafft. Und ich bin da krank geworden. Depressionen, Muskelschmerzen und alles."
    Die Antidepressiva helfen nicht, die unerträglichen Muskelschmerzen lassen nicht nach. Traumatisierung durch erzwungene Rückkehr? Der Flüchtlingsreferent Sextro hält das für möglich, er hat Erfahrung aus der Abschiebebeobachtung der Evangelischen Kirche:
    "Wenn Sie als junger Mensch aus Ihren Geflechten und Verbindungen heraus gerissen werden, dann hat das natürlich etwas hoch Traumatisches an sich. Ich hab' lange Zeit am Flughafen gearbeitet, in der Abschiebungsbeobachtung, und habe dort immer wieder junge Menschen, Kinder gesehen, die völlig apathisch waren, und Polizisten und sonstige Leute angesprochen haben: 'Wo sind meine Freunde, warum kann ich nicht mehr in die Schule gehen, wo schickt ihr mich hin, in welches Land komme ich jetzt, das kenne ich gar nicht. Ich bin doch in Deutschland, ich bin ein Deutscher'."
    Der Kampf um die eigene Identität
    Denis Hasic träumt auf Deutsch, aber er darf kein Deutscher sein. Hier zu bleiben - die einzige Therapie, die ihm helfen würde, glaubt er. In Trier hat er Asyl beantragt.
    "Ich wünschte, einfach nur gesund zu sein. Ich werde kämpfen, einfach nur kämpfen. Und in Serbien bin ich da wie tot."
    Der junge Mann im schwarzen Outfit weiß, dass seine Chancen schlecht stehen: Serbien gilt als sicheres Herkunftsland. Dass die erzwungene Ausreise ihn traumatisiert und krank gemacht haben könnte, werden die Entscheider nicht als Grund für eine zweite Flucht nach Deutschland anerkennen. Ausgleichende Gerechtigkeit für ein zerstörtes Kinderleben ist nicht vorgesehen. "Ein Härtefall", meint Flüchtlingsexperte Ulrich Sextro. Aber einer, für den keine Härtefall-Kommission zuständig ist.