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Fluggäste sollten auf Beförderung bestehen

Kommt es wegen des möglichen Fluglotsenstreiks zu Flugausfällen, kümmert sich bei einer Pauschalreise der Reiseveranstalter um alle Unannehmlichkeiten. Bei Individualreisen gilt die Regel: Nicht auf die Erstattung des Reisepreises eingehen. Man verliere sonst den Anspruch auf Beförderung, warnt Petra von Rhein von der Verbraucherzentrale.

Petra von Rhein im Gespräch mit Jule Reimer | 03.08.2011
    Jule Reimer: Sie streiken – sie streiken nicht, sie streiken – sie streiken nicht; falls Sie morgen per Flugzeug in den Urlaub gehen wollen, bleibt Ihnen derzeit nichts Anderes, als Gänseblümchen zu rupfen. Heute um 16 Uhr werden wir wissen, ob die deutschen Fluglotsen morgen Vormittag die Arbeit niederlegen. Derzeit versucht nämlich der Arbeitgeber der Fluglotsen, den Streik erst mal gerichtlich verbieten zu lassen oder die Schlichtung zu erreichen. Am Telefon in München bin ich mit Petra von Rhein verbunden, Rechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Bayern. Frau von Rhein, wenn die Fluglotsen denn tatsächlich streiken und ich sitze morgen am Flughafen fest, welche Rechte habe ich dann?

    Petra von Rhein: Ja, also, zunächst habe ich natürlich auch erst mal in gewisser Weise Pech gehabt. Es kommt drauf an, ob ich eine Pauschalreise gebucht habe oder nur einen Flug. Habe ich eine Pauschalreise, muss sich mein Pauschalreiseveranstalter um alles kümmern. Das heißt, er muss sich meine Versorgung kümmern, natürlich auch um eine andere Flugalternative, ich habe auch Minderungsansprüche gegenüber meinem Reiseveranstalter. Das ist also die einfache Variante. Daneben habe ich aber auch Ansprüche direkt gegenüber der Fluggesellschaft, und zwar nach der EU-Verordnung 2/61 aus 2004, das heißt, die Fluggesellschaft muss Betreuungsleistung erbringen. Das ist gestaffelt nach der Entfernung: Wenn ich einen Flug bis 1500 Kilometer habe, muss sie sich also spätestens nach drei Stunden um meine Versorgung kümmern. Bei bis zu 3500 Kilometern nach vier Stunden und der Rest ab fünf Stunden.

    Reimer: Aber werde ich auf jeden Fall befördert, auch wenn mit Verspätung?

    von Rhein: Ich habe den Anspruch auf eine Beförderung in jedem Falle. Und zwar habe ich das nur dann nicht, wenn ich so ungeschickt bin und kündige den Reisevertrag. Sehr häufig in diesen Fällen versuchen ja die Fluggesellschaften zu sagen: Ja, ja, wir geben Ihnen das Geld zurück. Und dann müssen sie nämlich keine Betreuungsleistung erbringen. Darauf sollte man sich nie einlassen, man sollte in jedem Falle bestehen auf einer Beförderung. Und vor allen Dingen, wenn das Ganze sich auch so hinzöge, dieser Streik, dass es zu Übernachtungen käme, dann muss man sich auch nicht auf irgend so ein Feldbett einlassen, sondern man hat Anspruch auf eine Übernachtung im Hotel.

    Reimer: Was ist denn, wenn ich individuell am Urlaubsort bereits ein Hotel gebucht habe und mein Zimmer wegen des Streiks erst später beziehen kann, bleibe ich dann auf den Kosten selbst sitzen?

    von Rhein: Ja, dann sollte man sich sofort mit dem Hotel in Verbindung setzen – die werden da sicher einsichtig sein, wenn man einfach nicht kommen kann. Grundsätzlich könnten sie natürlich die Leistung trotzdem anbieten. Denn das Problem ist, ich habe natürlich auch Schadenersatzansprüche gegenüber der Fluggesellschaft, muss aber einen konkreten Schaden nachweisen, und außerdem muss dann die Fluggesellschaft ein Verschulden treffen, und das trifft sie eben leider bei dem Streik nicht.

    Reimer: Und wie sieht es aus, wenn ich wegen eines Streiks an meinem Urlaubsort festsitze, wenn ich da extra Hotel- und Flugticketkosten habe, wer trägt die?

    von Rhein: Da muss ich wieder zwischen Pauschalreise und Individualreise unterscheiden: Bei der Pauschalreise trägt das der Reiseveranstalter, solange er die Reise nicht kündigt, das könnte er tun, und dann muss nämlich ... die Mehrkosten müssen dann gehälftet werden beziehungsweise vom Reisenden getragen werden, wird aber bei so einer eintägigen Verschiebung meistens nicht der Fall sein. Wenn ich individuell gebucht habe, muss ich, wenn ich eine Nacht länger bleibe, das Hotel auch selber natürlich zahlen.

    Reimer: Kurz noch zum Schluss, die Fluglotsen streiken ja nicht unbedingt für mehr Geld, sie wollen bessere Arbeitsbedingungen, weniger Überstunden. Die tragen ja auch viel Verantwortung für die Sicherheit. Ist es eigentlich aus Verbrauchersicht vielleicht auch ein sinnvoller Streik?

    von Rhein: Ja, man muss schon sagen, gerade in der Ferienzeit ist es sicherlich ein sehr wirksamer Streik, es wird immenser Druck ausgeübt, aber das ist natürlich nicht ... eigentlich ist es auch wieder unfair, denn natürlich der Reisende freut sich nicht darüber, und das ist ja dann auch nicht nur während der Zeit des Streiks werden die Reisenden betroffen, sondern das zieht sich ja dann auch noch lange Zeit nach, und das ist schon sehr ärgerlich.

    Reimer: Petra von Rhein, Rechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Bayern, zu den Rechten der Passagiere, falls der Fluglotsenstreik tatsächlich kommt. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.