ZEIT-Journalistin M’Barek: "Gesellschaft hat das Streiten verlernt"
Für die Autorin und Podcasterin Yasmine M’Barek (DIE ZEIT) waren multiple Krisen immer da, hatten aber zumeist wenig Bezug zum deutschsprachigen Raum. Nun gebe es eine direkte Betroffenheit. Es sei jedoch die Verantwortung von Demokraten, solche Krisen aufzunehmen. M’Barek attestierte der Gesellschaft, teilweise verlernt zu haben. Das Streiten und das Aushalten legitimer, aber abweichender Meinungen gehöre zur Demokratie dazu.
Die Journalistik-Professorin der Katholischen Universität Eichstätt, Annika Sehl, wies auf eine zunehmende Nachrichtenmüdigkeit und Nachrichtenvermeidung nicht nur in Deutschland hin. Dies betreffe insbesondere einzelne Themen, die die Agenda prägten. Außerdem gebe es immer mehr Ablenkung durch Unterhaltung und anderer Inhalte vor allem in Sozialen Netzwerken.
Rosenthal (SPD): „Bewältigungsressourcen vieler Menschen aufgebraucht"
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Jessica Rosenthal nannte diese Entwicklung besorgniserregend. Die Bewältigungsressourcen vieler Menschen seien aufgebraucht. Sie wünschte sich einen konstruktiveren und optimistischeren Ansatz in der öffentlichen Kommunikation. Rosenthal räumte ein, dass es Verbesserungsbedarf und Potenziale bei der Kommunikation der Ampel-Koalition gebe. Diese Erkenntnis sei in allen drei Parteien angekommen. Die SPD-Politikerin schlug vor, Erfolge mehr gemeinsam zu kommunizieren und selbstbewusster aufzutreten, da die Koalition eigentlich viel erreicht habe. Zudem gehöre mehr Streit über Lösungen und den besten Weg zur Demokratie.
Medienwissenschaftlerin Sehl: „Journalismus kann stärkere Rolle übernehmen“
Die Journalistik-Professorin Sehl betonte, der Journalismus könne eine stärkere Rolle einnehmen und nicht nur als „neutraler Vermittler“ agieren. Die Berichterstattung könne dabei helfen, Krisen zu durchstehen – etwa durch Hilfen beim Einordnen, bei der Bewertung von komplexen Inhalten und dem Bieten von Kontext und Evidenzen. Dies unterscheide sich auch von Meinungsäußerung.
Ein weiterer Aspekt der von Christoph Schäfer moderierten Debatte war die Themenauswahl. ZEIT-Journalistin M’Barek wies daraufhin, dass die Medien und deren Rezipienten noch sehr elitär und akademisiert seien. Dadurch stehen gewisse Themen stärker im Fokus. Auch die Bundestagsabgeordnete Rosenthal bemängelte, dass wichtige Aspekte abseits der Hauptthemen nur selten Platz in der Berichterstattung fänden.