Samstag, 04. Mai 2024

Archiv

Fotokunst
Obdachlos in Palästen

Zelte aus Planen in edlen Räumen - "Living Room" nennt die Fotografin Jana Sophia Nolle ihre Fotos, für die sie Obdachlosenunterkünfte in Wohnzimmern von Millionären nachbaut. Wie eine Grenzgängerin zwischen zwei Welten sei sie sich vorgekommen, sagte sie im Dlf.

Jana Sophia Nolle im Gespräch mit Mike Herbstreuth | 21.07.2020
Obdachloser in San Francisco vor United Nations Denkmal
Obdachlosigkeit - weit verbreitet in San Francisco (imago / Frank Müller)
San Francisco hat die dritthöchste Obdachlosen-Zahl in den USA - und gleichzeitig wohnen nirgendwo im Land mehr Milliardärinnen und Milliardäre – das Silicon Valley mit seinen Tech-Firmen ist direkt ums Eck. Um auf diese Schere zwischen Arm und Reich aufmerksam zu machen, hat Jana Sophia Nolle provisorische Unterkünfte von Obdachlosen in Wohnzimmern von einigen der vielen Millionären der Stadt aufgebaut und fotografiert.
Die schöne und die häßliche Stadt
"Ich war ziemlich geschockt, als ich das erste mal in San Francisco ankam", sagte die Fotografin - "auf der einen Seite eine unglaubliche schöne Stadt die Freundlichkeit ausstrahlt, auf der anderen Seite überall Menschen in unterschiedlichen Unterkünften wie Zelten auf Gehwegen, unter Brücken, auf Supermarktparkplätzen."
Jana Sophia Nolle hat mit den Obdachlosen Kontakt aufgenommen. Die größte Herausforderung sei der Zugang zu den Wohnzimmern und ihren Bewohnern gewesen. Die Menschen, die Sophia Jana Nolle ihre Wohnzimmer öffneten und beigeistert waren von dieser Idee, hätten angefangen, über ihre sozialen Privilegien zu reflektieren und großes Interesse an dem Projekt gezeigt.
Die Fotografin als Grenzgängerin
"Sie wollten Fotos sehen, von wem baue ich denn jetzt das Haus, haben mich nach den Materialien gefragt", so Nolle. Die Fotografin wurde auch gefragt, wie sich die Menschen in Hilfsorganisationen engagieren könnten. "In der Situation kam ich mir manchmal vor wie eine Art Grenzgängerin, die sich zwischen diesen beiden Welten bewegt und auch Informationen und Eindrücke hin und her bewegt." Einige Wohnzimmerbewohner und Obdachlose seien sich bei einer Ausstellung von Jana Sophia Nolle begegnet. "Das war ein sehr berührender Moment für mich persönlich."
Das Wohnzimmer ist ein Ort des Rückzugs, des Privaten, der Intimität, dient aber auch der Präsentation der Persönlichkeit. Auch bei provisorischen Unterkünften der Obdachlosen gebe es diesen Wunsch nach Individualität und Repräsentation.
"Mir ging es einmal darum, was bedeutet ein Wohnzimmer? Wo haben wir die Möglichkeit, uns persönlich auszudrücken? Was bedeutet uns Schutzraum?" Auch die Obdachlosen hätten bestimmte Objekte, die einen symbolischen Wert besäßen.
In Berlin möchte die Fotografin das Projekt von San Francisco wiederholen und ist auf der Suche nach Wohnzimmern, in denen sie Zelte und Hütten nachbauen kann. In Deutschland gehe man aber mit Wohlstand anders als in den USA um. Man versuche etwas bescheidener zu sein, so der Eindruck von Jana Sophia Nolle.