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Frankfurter Portikus zeigt Sammlung des Hausmeisters

Da kommen zwei Leute, die vormals einen Campingplatz besaßen, 1992 nach Frankfurt: er Klempner, sie Sekretärin und stellen sich in der Kunstakademie vor, mit den Worten: Wir sind für die Studenten da, nicht für die Verwaltung. Danach hatten sie den Job als Hausmeister in der kleinen aber international bekannten Frankfurter Kunstinstitution- und wurden nach und nach selbst zu einer Institution - Hausmeister, die Kunst und Künstler lieben. Ihre Sammlung ist nun zu sehen im Frankfurter Portikus.

Von Wolf Schön |
    Die letzten Sätze des alten Davies in Harold Pinters berühmtem Theaterstück "Der Hausmeister" enden mit Fragezeichen: "Was soll ich machen? Was soll ich tun?" So etwas kann dem Kollegen von der Frankfurter Städelschule nicht passieren. Hartmut Rausch, dessen Nomen zum Omen wurde, hortet rauschhaft Kunst, alles was die Professoren und Studierenden ihm als Dankeschön überlassen, für treue Dienste hier eine Zeichnung und dort ein kleines Gemälde, auch plastische Arbeiten und Fotokunst, wobei alle Spielarten des Stils und der Themen vertreten sind: Figürliches wie Abstraktes, Satirisches und Obszönes, zeitlos Gültiges neben ganz Persönlichem wie Georg Herolds erweitertes Ausstellungsplakat, auf dem unter dem gedruckten Schriftzug "Geld spielt keine Rolle" handschriftlich lesen steht: "Nur der Rausch zählt".

    Zählen kann der Rausch in der Tat. Als er vor 14 Jahren fünfzig wurde und zwei selbst gemachte Geschenke von Thilo Heinzmann und Hans Petri bekam, nahm die Zahlenkolonne auf der Inventarliste ihren Anfang, füllten sich in der Hausmeisterwohnung die Wände, die mittlerweile bis zur Decke mit Kunstwerken gepflastert sind. Das heißt, sie waren es bis vor kurzem, denn augenblicklich sind die sage und schreibe 400 stolzen Besitztümer im Kunstbau Portikus ausgestellt, wobei die naheliegende Schmäh "Masse statt Klasse" gänzlich fehl am Platz ist. Denn es sind keineswegs sprichwörtliche Brosamen, die gnädig vom Tisch der künstlerischen Herrschaft gefallen sind. Eher erinnert die Stimmung im Portikus an das ausgelassene Treiben während der Saturnalien im alten Rom, als die dienstbaren Geister spiegelverkehrt von ihren Herrn verwöhnt wurden. Perfekt spielt diese Rolle der leitende Städel-Professor Daniel Birnbaum, wenn er im prachtvollen Katalogbuch der hausmeisterlichen Kollektion die Ehre der Einführung erweist und darin hervorhebt, dass jedes Kunstwerk eine eigene Geschichte erzählt.

    Es sind die Geschichten, aus denen die Geschichte von Deutschlands kleinster und feinster Kunstakademie besteht. Und es sind die Anekdoten, die bezeugen, dass Hartmut Rausch mit seiner Ehefrau Helga als guter Geist des Instituts alle Haustyrannen-Klischees vergessen macht. An durchzechten Sommerfesten war er stets der letzte, der das Haus verließ. Kunst hinter Glas ist nun auch der Zettel mit der Kritzelschrift "Liebe Helga, tut uns leid, wir haben Hartmut gestern überredet, noch was zu trinken." Daher kommt also das glatte Gegenstück zu Hausmeister Krause in Tom Gerhardts Comedy-Serie, diesem Inbegriff des schikanösen Spießers, der unterwürfig vor höher gestellten Personen buckelt und ansonsten im grauen Arbeitskittel mit rabiaten Methoden für Ordnung sorgt. Auch würde Hausmeister Rausch nie, wie in der Düsseldorfer Akademie geschehen, im Übereifer ein unersetzliches Werk, nur weil es aus Fett besteht, auf den Abfall befördern. So nennt der Städel-Chef das leuchtende Vorbild seines Berufsstands einen "Kunstliebhaber, aber auch Künstlerliebhaber."

    Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit, eingeschlossen die Prominenz. Unter den Signaturen auf den Abschieds- und Gelegenheitspräsenten drängeln sich zahlreiche Namen von Rang. Hermann Nitsch hat ein schwarzes Schüttbild spendiert, von Peter Kogler gibt es Ameisen, die zu einem Ornament zusammenkrabbeln, von Per Kirkeby eine kolorierte Zeichnung mit Widmung, von Thomas Bayrle die "Madonna Mercedes", die sich aus lauter winzigen Edelkarossen zusammensetzt, von Ayse Erkmen ein grünes Porzellan in Form einer Landmine. Es darf aber auch gelacht werden: über Thomas Zipps holzgeschnitzten Teddybär, Kirsten Pieroths Hausmeisterbesen mit verknotetem Stil oder Anke Weyers Aschenbecher-Gemälde, randvoll mit den Zigarettenkippen des Hausmeisters. Paul McCarthy hat bei seinem Weggang von der Städelschule seine Baseball-Kappe hängengelassen: ein schöpferischer Akt, wenn man ein Weltstar ist. Nächstes Jahr geht ebenfalls Hausmeister Rausch, und zwar in Rente. Seine originelle Sammlung sorgt dafür, dass auch er so schnell nicht vergessen wird.