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Friedrichshain
Pantomime gegen Touristenlärm

Weiß gekleidet und mit blauer Schminke spielen Mediatoren den Lärm in Friedrichshain weg. Zumindest ist das ihr Ziel. Sie wollen Berlin-Touristen auf das Ruhebedürfnis von Anwohnern aufmerksam machen. Nicht jeder Tourist ist darüber erfreut.

Von Anja Nehls | 18.05.2015
    Pantomime-Künstler des Pilotprojekts fair.kiez sind auf der Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain im Einsatz. Die Pantomimen sollen an 15 Wochenend-Abenden für Ruhe in den Partykiezen in Friedrichshain und Kreuzberg sorgen.
    Pantomime-Künstler des Pilotprojekts fair.kiez wollen für Ruhe in Berlin-Friedrichshain sorgen. (picture-alliance/dpa/Jörg Carstensen)
    Ein ganz normaler Abend im Szeneviertel in Berlin Friedrichshain. In der Simon-Dach-Straße reiht sich ein Restaurant an das andere, alle Tische stehen auf der Straße, alle sind voll besetzt. Durch die Straßen ziehen Gruppen, viele Jugendliche haben Bierflaschen in der Hand. Vor allem Berlin Besucher haben hier Spaß und machen Party, oft bis tief in die Nacht. An Schlaf für die Menschen, die über den Kneipen wohnen ist besonders in den Sommermonaten schon lange nicht mehr zu denken. Irgendwann wurde die Situation unerträglich:
    "Dass wir als Akteure, die sich mit stadtverträglichem Tourismus beschäftigt haben zusammengetan haben und gesagt haben, was können wir tun, ohne eine repressive Maßnahme vielleicht die Touristen zu ermuntern, sich für den Kiez doch mehr zu interessieren, nicht nur in Partystimmung hierherzukommen, sondern sich auch bewusst machen, dass hier Kiezbewohner wohnen und dass man vielleicht rücksichtsvoller umgehen kann", sagt Kathrin Klisch vom Bezirksamt Friedrichhain-Kreuzberg. Zusammen mit der Clubkommission, einem Zusammenschluss Berliner Klub- und Partyveranstalter und Restaurantbetreibern, hat sie die Aktion Fair Kiez ins Leben gerufen. Vier Teams aus Pantomime-Künstlern und Mediatoren sollen an den Sommerwochenenden durch die Straßen ziehen und das Partyvolk sanft und spielerisch für das Thema sensibilisieren. Ganz in weiß gekleidet, mit weiß geschminkten Gesichtern und schwarz umrandeten Augen gibt es eine kleine Szene: Einer schläft, ei andere macht Lärm, Finger auf den Mund. Psst. Die Szene sorgt statt für Ruhe eher für Unterhaltung und Erheiterung:
    Abschrecken lassen sich die Künstler davon nicht, ein Mediator geht von Tisch zu Tisch und erklärt, worum es geht, im allgemeinen Lärm ist er kaum zu verstehen:
    Skepsis gegenüber Erfolg
    "Wir sind so der Versuch, so ein bisschen Verständnis dafür zu schaffen, dass hier auch Leute wohnen, die müssen vielleicht früh aufstehen, haben vielleicht Kinder."
    Die Touristen sind einsichtig. An einem dauerhaften Erfolg haben sie allerdings Zweifel: "Ich finde es recht schön, ich spreche nicht so gut deutsch aber ich finde es eine gute Idee. "

    "Ich kann mir schon vorstellen, dass es für die Anwohner ziemlich stressig ist, dass es hier so laut ist, von daher ist die Aktion schon gut, aber ich weiß nicht ob die was bringt."
    "Ich sehe den Konflikt zwischen einem großen Tourismusandrang in Berlin und dem Tourismus, der in die Wohnquartiere geht, der ist unübersehbar der Konflikt. Aber ich weiß nicht, ob so eine Pantomime die richtige Art der Steuerung ist, das wird man sehen."
    In Barcelona hat das Ganze vor zehn Jahren mal funktioniert – daher stammt die Idee. Die Beschwerden gingen nach dem Einsatz der Pantomimen zunächst zurück, lange hielt der positive Effekt allerdings nicht an. Deshalb kann man es eigentlich auch gleich lassen – wer hier wohnt, wohnt hier schließlich freiwillig, sagen nicht nur Partytouristen, sondern sogar einige Anwohner:
    "Jeder sucht sich ja selber seinen Wohnort. Ich hatte damals auch die Wahl, ziehe ich hierher oder ziehe ich woanders hin in Friedrichshain."
    "Das ist halt die Partystraße, da ist halt so. Ein Restaurant nach dem anderen, man kann das nicht vermeiden und da wussten die Anwohner auch, das wird auf keinen Fall was bringen."
    "Ich wohne auf dem Land, da ist auch manchmal laut, aber da ist mir egal."
    "Ich denke halt, wenn man nach Berlin will dann muss man das akzeptieren und da gehört einfach dazu."
    An acht Wochenenden im Sommer sollen die Pantomimeteams erst mal in den Berliner Szenevierteln unterwegs sein - jeweils von 22 Uhr abends bis 4 Uhr früh, außer bei Regen. Danach wird der Erfolg oder Misserfolg der Aktion ausgewertet.