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Fanprojekte wehren sich gegen Kriminalisierung der sozialen Arbeit

Die sächsische Polizei hat mehrere Jahre gegen einen Mitarbeiter des Leipziger Fanprojekts ermittelt. Der konkrete Grund ist bis heute nicht wirklich klar. Nun hat die Koordinationsstelle Fanprojekte in einem offenen Schreiben die Vorgehensweise der Behörden kritisiert.

Von Niklas Potthoff | 21.12.2017
    Fans von Chemie Leipzig bei einem Spiel gegen Bernburg.
    Fans von Chemie Leipzig bei einem Spiel gegen Bernburg. (imago sportfotodienst)
    Abgehörte Anrufe, mitgelesene Nachrichten, mehrere hundert Seiten Akten. Die sächsische Polizei hat viele Daten über Sebastian Kirschner gesammelt. Über mehrere Monate wurde der Mitarbeiter des Leipziger Fanprojekts massiv überwacht. Laut Generalstaatsanwaltschaft auf Grundlage des Paragraphen 129 des Strafgesetzbuches: Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
    Die sächsischen Behörden hatten nach einer radikalen Gruppe aus dem linken Milieu gesucht, die Rechtsextreme angegriffen haben sollen. Kirschner arbeitet mit jugendlichen Fans beim Regionalligisten Chemie Leipzig, deren Fanszene als linksalternativ gilt. Grund Kirschner zu überwachen sieht Michael Gabriel aber nicht. Der Leiter der KOS konnte die Unterlagen einsehen:
    "Es gibt keinen einzigen Bezug zu einer Straftat in den Akten – das, was dort aufgeführt wird, um den Beschuldigten-Status zu rechtfertigen, sind im Grunde genommen die Arbeiten, die das Konzept von Fanprojekt-Arbeit vorsieht. Also, dass Jugendliche bei der Organisation von Auswärtsfahrten unterstützt werden, Bildungsangebote oder auch die Zur-Verfügung-Stellung oder Unterstützung bei der Suche nach rechtlicher Beratung."
    Kirschner hatte durch seine Arbeit Kontakt mit Personen, die bereits im Fokus der Ermittler standen. Nicht unüblich. Das Verfahren gegen ihn wurde zwar eingestellt, doch die Koordinationsstelle Fanprojekte kritisiert nun in einem offenen Schreiben die Vorgehensweise der Behörden, unterschrieben von zahlreichen Fanprojekten, Organisationen und Hochschul-Professoren. Darin fordern Sie einen zukünftig besonderen Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Jugendlichen und Sozialarbeitern, um erzieherische Interventionen möglich zu machen.
    "Wenn das nicht gewährleistet ist, dann steht in Frage, ob diese Arbeit überhaupt Sinn macht. Wenn Jugendliche sich nicht mehr sicher sein können, wenn sie Kollegen etwas anvertrauen, dann wird das nicht mehr geschehen."
    Auf besondere Rolle der Fanbeauftragten soll besser geachtet werden
    Dabei wurde die Arbeit der Fanprojekte gerade wieder öffentlich gestärkt – bei der Sportministerkonferenz im November:
    "Die Strukturen der Sicherheit und Fanarbeit sind durch die Verbände weiter zu stärken, und die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen."
    Im Fall von Sebastian Kirschner widerspricht die Generalstaatsanwaltschaft Dresden dem Vorwurf unbegründeter Überwachung. Dessen Funktion als Sozialarbeiter sei nicht der Hauptgrund der Ermittlungen gewesen. Vielmehr habe es konkrete Hinweise gegeben, die eine Untersuchung Kirschners als Tatverdächtigen gerechtfertigt hätten. Seine Rolle als Sozialarbeiter könne ihn da nicht vor Ermittlungen schützen.
    Die Koordinationsstelle Fanprojekte sieht das anders. Und bezweckt mit dem Schreiben, dass zukünftig verstärkt auf die besondere Rolle der Fanprojekte geachtet wird.