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Gefeuert wegen Berichterstattung über Duma-Wahlen

Das Foto eines Stimmzettels, auf dem Wladimir Putin aufgefordert wird, endlich abzuhauen, wurde dem Chefredakteur von "Kommersant" sowie dem Generaldirektor der "Kommersant"-Holding zum Verhängnis. Der Eigner, Alisher Usmanov, einer der reichsten Männer Russlands und als Kreml nah geltend, entließ die beiden.

Von Robert Baag | 17.12.2011
    Veronika Kutsylo wich im Sender "Echo Moskvy" um kein Jota zurück: Nein, sagte Kutsylo, bis vor Kurzem noch stellvertretende Chefredakteurin des russischen Wochenmagazins "Kommersant-Vlast'", die Fotostrecke in der jüngsten Ausgabe zum Ablauf der umstrittenen Dumawahlen am 4.Dezember sei keine Provokation gewesen, sondern "ein Dokument."

    Mindestens der Eigner der angesehenen Zeitschrift, der Metall- und Bergbaumagnat Alisher Usmanov, einer der reichsten Männer Russlands, ein als Kreml nah geltender sogenannter Oligarch, sah dies jedoch anders: Ob in vorauseilendem Gehorsam oder erst nach einem "Anruf von oben", darüber wird derzeit noch spekuliert. Das Foto eines Stimmzettels, auf den Jemand mit rotem Filzstift in fetten Lettern und mit deftigen Worten den russischen Ministerpräsidenten Vladimir Putin sinngemäß auffordert, endlich abzuhauen, sei "Rowdytum", beschwerte sich Usmanov. Als dafür Verantwortliche entließ Usmanov den Chefredakteur von "Kommersant Vlast", Maxim Kowalskij, sowie den Generaldirektor der "Kommersant"-Holding, Andrej Galiev. Doch fünfunddreißig "Kommersant-Vlast"-Redakteure haben sich mit ihrem Chefredakteur solidarisch erklärt und sprechen von einem Einschüchterungsversuch Usmanovs, der Kritik an Putin nicht zulassen wolle. Ein Vorwurf, den Usmanov inzwischen seinerseits zurückgewiesen hat. Für Vsvevolod Bogdanov, den Vorsitzenden der Russischen Jornalistenunion, steht indes fest:

    "Dieser Vorgang ist ein erneutes Beispiel dafür, dass man es in Russland nicht versteht, dass im Mediengeschäft das Business in keiner Weise Einfluss auf den Journalismus ausüben darf. Wir vermischen das immer noch. Wir denken, dass der Hausherr, der Gutsbesitzer, nur anzuweisen braucht - und schon ändern wir unsere Position. Wir haben nicht zu sehen, nicht zu hören, was ist - sondern das zu sagen, was man uns vorschlägt."

    Dass es ausgerechnet "Kommersant Vlast'" erwischt hat, überrascht den Moskauer Politiker und Medienexperten Ilja Ponomarjov vor dem Hintergrund der derzeit sinkenden Popularitätskurve für den Präsidentschaftskandidaten Putin nicht allzu sehr:

    "Die ‚Kommersant'-Holding ist im Medienbereich das Hauptsprachrohr jener Leute, die am vergangenen Samstag auf dem Balotnaja-Platz in Moskau zur Demonstration zusammengekommen waren. Der ‚Kommersant' hat immer die Tradition der Unabhängigkeit und eines objektiven Journalismus' bewahrt. Den ‚Kommersant' lesen Menschen, die üblicherweise an der Politik hierzulande nicht teilnehmen. Das geht vom Kleingewerbetreibenden bis hoch zum Großunternehmer. Dass die nun anfangen sich zu politisieren, nicht zuletzt aufgrund solcher Reportagen und unverblümter Fotos, das ist für die Macht im Land viel kitzliger, da sind sie viel empfindlicher als bei irgendwelchen noch so radikal formulierten Parolen, Flugblättern oder Dokumentationen, wo Korruption bei Putin angeprangert wird."

    Ex-"Kommersant-Vlast'"-Chefredakteur Maxim Kowalskij und die Medien-Holding "Kommersant" haben sich inzwischen in gegenseitigem Einvernehmen getrennt. Die Kündigung ist aufgehoben. Eine spätere, erneute Zusammenarbeit wird explizit nicht ausgeschlossen, wollen russische Medien an diesem Wochenende erfahren haben.