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Geld her!

Rund 700 Euro muss ein Studierender pro Monat einkalkulieren, um über die Runden zu kommen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat zum Auftakt des Wintersemesters nun einen Führer zur Studienfinanzierung mit wichtigen Tipps herausgegeben. Hilfreich außerdem: ein Beratungsgespräch beim Studentenwerk.

Von Thomas Wagner | 06.10.2010
    Ein nüchterner Besprechungsraum im Erdgeschoss der Universität Konstanz: Marlies Pieper, Beraterin des Studentenwerkes "Seezeit", hat Besuch bekommen:

    "Gut, Sie sind gekommen in die Sozialberatung, um zu hören, wie die Studienfinanzierung möglich wäre, wie das funktionieren könnte.
    Also im Moment sieht es ziemlich schwierig aus. Ich habe einen körperbehinderten Bruder. Deswegen haben meine Eltern auch zusätzliche Ausgaben, haben ein neues Haus gebaut, und haben auch nicht so viel Geld, um mich zu unterstützen."

    Vanessa Grimm, Anfang 20, ist für die Finanzberatung des Studentenwerkes "Seezeit" kein einfacher Fall: Vanessa hat eine 15 Monate alte Tochter, ist alleinerziehend, lebt bei den Eltern in Villingen-Schwenningen, gut eine Autostunde von Konstanz entfernt. Die Eltern können kaum etwas zum geplanten Physik-Studium beisteuern. Und auch der Gang zum BAföG-Amt war ernüchternd.

    "Mir wurde mitgeteilt, dass ich nicht BAföG-berechtigt bin, aufgrund des Einkommens meiner Eltern. Die verfügen wiederum aber auch nicht die Möglichkeit, mich zu unterstützen, dadurch, dass sie ein Haus gebaut haben. Das ist noch nicht so lange her."

    Die finanziellen Hilfen nach dem Bundesausbildungs-Förderungsgesetz, kurz BAföG, sind an enge Bedingungen geknüpft. Entscheidend ist das Einkommen der Eltern: Sind die verheiratet, können sie einen Grundfreibetrag von 1440 Euro von ihrem Einkommen abziehen. Ebenso gibt es Freibeträge für Kinder, die zur Schule gehen.

    "Von dem Betrag, der dann stehen bleibt, müsste nochmals die Hälfte der Familie zugestanden werden. Und die andere Hälfte, vom Restbetrag, wäre dann der Tochter zur Verfügung zu stellen ..."

    … rechnet Marlies Pieper vom Studentenwerk "Seezeit" vor. Die Schulden für ihr neues Haus, die Vanessas Eltern abbezahlen, werden nicht angerechnet. Vanessa erfährt in der Beratung immerhin, dass ein Teil der BAföG-Zahlungen als zinsloses Darlehen gewährt wird. Und das muss der Studierende nach Abschluss des Studiums zurückzahlen, allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 10.000 Euro. Wer wie Vanessa aus dem BAföG-Raster rausfällt, hat darüber hinaus die Möglichkeit, einen Studi-Kredit zu beantragen. Den gewährt die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau in der Regel zu einem vergünstigten Zinssatz. Dennoch rät Kay Görner, Finanzberater bei der Verbraucherzentrale Sachsen, zur Vorsicht:

    "Ich sag' das knallhart: Kredite sollte man auf jeden Fall vermeiden, gerade, um die Überschuldung in jungen Jahren zu umgehen."

    Im Gegensatz zum BAföG müssen die Studienkredite voll zurückgezahlt werden, zuzüglich des Zinssatzes. Und: Die erste Tilgungsrate ist exakt sechs Monate nach der Auszahlung der letzten Rate fällig. Mit der lange geplanten mehrmonatigen Weltreise oder dem Auslandspraktikum nach Abschluss des Studiums wird es damit schwierig. Und schließlich muss sich ein Studierender auch sicher sein, dass er nach Abschluss des Studiums wirklich Geld verdient. Für Vanesssa Grimm, die erst am Anfang ihres Studiums steht, fällt daher auch diese Finanzierungsmöglichkeit weg:

    "Von Anfang würd' ich das auf keinen Fall machen, weil, wenn mir das Studium nicht gefällt oder ich es einfach nicht schaffe, dann müsste ich es ja trotzdem zurückzahlen. Dann hätte ich nachher noch mehr Schulden."

    Bleibt schließlich noch die Möglichkeit, sich um ein Stipendium zu bewerben. Aktuell, so heißt es bei den Studentenwerken, nutzen gerade mal zwei Prozent der Studierenden diese Möglichkeit. Viele glauben, dass sie die Kriterien dafür nicht erfüllen,

    "Was aber meines Erachtens Quatsch ist. Weil es gibt ja sehr viele, die in diese Förderung mit hineinkommen könnten. Weil: Es gibt kirchliche Förderungen, es gibt parteinahe Förderungen, es gibt Förderungen der deutschen Studienstiftung zum Beispiel,"

    … so Kay Görner von der Verbraucherzentrale Sachsen. Der Fachmann empfiehlt Ratsuchenden wie Vanessa einen Klick auf die Webseiten www.stipendienlotse.de oder www.sbb-stipendien.de. Die bieten einen Überblick über die Fördermöglichkeiten. Vorteil der Stipendien: Die Förderbeiträge müssen nicht zurückgezahlt werden. Eine wichtige Finanzierungsquelle ist und bleibt schließlich der Nebenjob. Rund 40 Prozent aller Studierenden verdienen sich etwas dazu. Dabei gibt Marlies Pieper vom Studentenwerk "Seezeit" in Konstanz aber eines zu bedenken:

    "Der Punkt ist, dass dabei die Studien in Verzug gerät. Und sie brauchen dann länger. Dann muss sich darauf hinweisen, dass manche Studienkredite nicht mehr greifen, wenn man eine bestimmte Semesterzahl oder das Alter überschritten hat."

    Aufpassen müssen vor allem BAföG-Empfänger: Sie dürfen nur 4800 Euro pro Jahr hinzuverdienen, ohne dass der Lohn aufs BAföG angerechnet wird. Ebenso ist Vorsicht bei denjenigen angesagt, für die die Eltern noch Kindergeld beziehen: Hier liegt die Einkommensgrenze bei 8000 Euro. Verdient ein Studierender auch nur einen einzigen Euro mehr, streichen die Behörden das Kindergeld. Für Vanessa Grimm, die Ratsuchende in Sachen Studien-Finanzierung, ist das alles sehr ernüchternd. Ob sie als alleinerziehende Mutter wirklich den Start an der Uni wagt, weiß sie noch nicht sicher:

    "Eigentlich möchte ich das schon auf jeden Fall. Aber ich muss das jetzt schon noch mal überdenken, ob es überhaupt möglich wäre."