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Gesetz
Frankreichs Premierminister will Mandatshäufung abschaffen

Frankreichs Premierminister Jean-Marc Ayrault hatte ein "Jahr der Modernisierung" ausgerufen. Dazu soll auch die Abschaffung der Mandatshäufung gehören. Drei Viertel der französischen Abgeordneten sind im Senat und Parlament in Doppel- oder Mehrfachfunktionen unterwegs.

Von Ursula Welter | 22.01.2014
    Ein "Jahr der Modernisierung" hat Frankreichs Premierminister Ayrault ausgerufen.
    Dazu soll die sozialdemokratische Wende der Sozialisten in der Wirtschaftspolitik gehören, die von der äußersten Linken und Rechten als "liberale" Wende beschimpft wird. Dazu soll auch die Territorialreform gehören, die manchen Lokalfürsten bereits um sein Reich fürchten lässt. Aber auch die Abschaffung der Mandatshäufung gehöre zur "Modernisierung" Frankreichs, hatte der Staatspräsident im Wahlkampf gesagt und versprochen, diese Ämteransammlungen abzuschaffen.
    Parlament und Senat haben das Vorhaben hin und her gewendet, der Widerstand in der zweiten Kammer war besonders groß. Von 348 Senatoren üben 264 zusätzlich ein lokales oder regionales Mandat aus, im Parlament sind es 468 von 577. Damit sind drei Viertel der französischen Abgeordneten in Doppel- oder Mehrfachfunktionen unterwegs.
    "Die gewählten Volksvertreter, die hier sind, können nicht dort sein, und die dort sind, können nicht hier sein", ...
    ... verteidigt Innenminister Manuel Valls das Gesetz, das eigentlich schon mit den Kommunalwahlen in diesem Frühjahr die Politiker vor die Entscheidung zwischen lokaler und nationaler Verantwortung stellen sollte. Aber der Widerstand war so stark, dass die Daten ins Rutschen gerieten. Nun soll das Verbot der Ämterhäufung mit den Parlamentswahlen 2017 in Kraft treten.
    Widerstand gegen das Gesetz
    Der Vertraute des Präsidenten, François Rebsamen, Chef der sozialistischen Gruppe, führte diesen Widerstand an:
    "Die Senatoren stehen für die Gesetzgebung und ihre Arbeit fußt nicht zuletzt auf den Erfahrungen auf lokaler Ebene. Wir werden von den Bürgermeistern gewählt, ich finde es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass wir gleichzeitig ein Rathaus führen und im Senat sitzen."
    Eine merkwürdige Auslegung der Verfassung, sagt Rebsamens Partei-Kollege, Christoph Borgel, der das Gesetz im Parlament verteidigt.
    "Wenn wir uns die Entwicklung der Fünften Republik anschauen", meint auch Claude Bartolone, der Parlamentspräsident, "dann ist die Ämterhäufung der Arbeit in der Assemblée Nationale nicht zuträglich gewesen."
    Aber auch Bartolone hatte sich am Psycho-Krieg um das Gesetz beteiligt, um Ausnahmeregelungen gerungen und war mit von der Partie, als schließlich das Datum des Inkrafttretens auf das Jahr 2017 verschoben wurde.
    Denn auch im Parlament gibt es Widerstand. Und zwar parteiübergreifend, erklärt Daniel Fasquelle. Der Wahlkreis des konservativen Abgeordneten liegt im Pas de Calais, im Norden Frankreich, gleichzeitig ist Fasquelle Bürgermeister von Le Touquet. Er hat ein Manifest geschrieben mit dem Titel "Hände weg von meinem Mandat".
    Und er weiß sie alle hinter sich, die rechten Bürgermeister von Marseille, Toulon, Nimes, Orleans oder Le Havre, Die Linken von Caen, Tours, Limoges, Lyon und Grenoble, von den Mandatsträgern in den kleineren Städten ganz abgesehen.
    "Ich wende mich gegen diese Art von Heuchelei, denn die gleichen sozialistischen Abgeordneten, die gegen die Häufung von nationalen und lokalen Ämtern sind, üben neben ihrem Parlamentssitz eine Anwalts- oder Arzttätigkeit aus."
    "Zu wenig Zeit für die eine wie die andere Aufgabe"
    Die Befürworter halten dagegen: "Zu wenig Zeit für die eine wie die andere Aufgabe". Und: "Tiefe lokale Verankerung verstellt die Sicht aufs große Ganze und führt zu lokalen Abhängigkeiten".
    Die Zeitung "Le Figaro" berichtet allerdings, die Gegner des Projekts sähen die Sache gelassen. Die konservativen Abgeordneten, in deren Reihen nur Wenige gegen die Ämterhäufung seien, liefen trällernd über die Gänge, schreibt die Zeitung. Das alte Lied von der Sorglosigkeit auf den Lippen - "alles in Ordnung, Madame la marquise".
    Denn nach einem Machtwechsel 2017 würden sie das Gesetz wieder kippen. Schließlich brauche Frankreich Abgeordnete mit festen Wurzeln im lokalen Terrain.