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Gigaliner oder Monstertruck?

Bislang gab es nur in einzelnen Bundesländern Testfahrten des "Gigaliners". Dann beschlossen die Länderverkehrsminister im Oktober 2007, keine weiteren Versuche mehr zuzulassen - und jetzt soll es doch einen bundesweiten Feldversuch geben - ein Erfolg der LKW-Lobby in diesem Land?

Von Dieter Nürnberger | 26.07.2010
    Auf jeden Fall ist es eine Trendwende, die sich da abzeichnet. Denn der Vorgänger des heutigen Verkehrsministers Peter Ramsauer (CSU), der SPD-Politiker Wolfgang Tiefensee, hatte die sogenannten Gigaliner noch strikt abgelehnt. Dass die Bundesregierung nun einen bundesweiten Feldversuch starten will, darf somit als Kehrtwende bezeichnet werden. Allerdings, das sagen viele Akteure und Experten, müssten dafür auch die Bundesländer eingespannt werden, und da gibt es weiterhin auch kritische Positionen. Hier müsste also vor dem Start des Feldversuchs auch noch eine Einigung erzielt werden.

    Und genau darauf machte heute Vormittag auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung aufmerksam. Im Grunde werde mit dem Feldversuch sogar der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, sagt der Hauptgeschäftsführer des Dachverbandes Karlheinz Schmidt. Denn bevor man Anforderungen an Fahrer und mögliche Routen festlege, wie im Feldversuch geplant, sollte doch bitte schön erst einmal grundsätzlich über die künftigen technischen, ökologischen und logistischen Anforderungen hinsichtlich längerer LKW diskutiert werden:

    "Wir haben deshalb angeregt, bevor wir über Gigaliner reden, lasst uns beispielsweise über das Sattelaufliegermaß sprechen. Es müssen die zwei Behälter für den kombinierten Verkehr darauf passen, es muss auch ein 45-Fuß-Container draufpassen, denn der wird mittlerweile massenhaft über die deutschen und europäischen Seehäfen ins Land gebracht. Es geht ja auch um Ko-Modalität – um das Verfrachten auf die Eisenbahn, auf den LKW, auf das Binnenschiff. Dann brauchen wir zudem intelligente Fahrzeugabmessungen. Das ist für uns das Wichtigste, und darüber haben wir leider noch nichts gehört."

    Gegner und Befürworter der Gigaliner stehen sich schon seit längerer Zeit hierzulande recht unversöhnlich gegenüber. Zu den Gegnern gehört beispielsweise die Allianz pro Schiene. Der dortige Referent für Verkehrspolitik, Andreas Geißler, spricht anlässlich des geplanten Feldversuchs von einem falschen Signal:

    "Es wird dadurch ein Anreiz geschaffen, mehr Verkehr auf die Straße zu bringen. Durch die Kostenvorteile dieser Fahrzeuge werden wir wohl zwei Effekte beobachten können: Zum einen den induzierten Verkehr – das heißt, der Trend zur Lagerhaltung auf der Straße wird zunehmen, wenn der LKW-Verkehr um bis 25 Prozent billiger wird durch diese Fahrzeuge. Der zweite Effekt ist die Verkehrsverlagerung: Vom Binnenschiff in gewissem Umfang, vor allen aber vom Schienenverkehr zurück auf die Straße. Und das ist die Falsche Richtung einer Verlagerung."

    Die Gigaliner oder auch Lang-LKW, wie sie genannt werden, haben eine Länge von rund 25 Metern, sie überschreiten somit deutlich die derzeit übliche Längenbegrenzung von knapp 19 Metern. Die Fahrzeuge sollen bis zu 60 Tonnen Gesamtgewicht haben. Kritiker sehen neben ökologischen Aspekten wie einer Zunahme des LKW-Verkehrs auf den Straßen auch sicherheitsrelevante Aspekte. Die Allianz pro Schiene unterstreicht dies, man müsse dann auch über zusätzliche Investitionen nachdenken. Andreas Geißler:

    "Zum Beispiel die Parkplätze auf Autobahnen. Die sind für diese Länge der LKW nicht ausgelegt. Das Gleiche gilt für Kreuzungen, für Kreisverkehre, auch für Brandlasten in Tunneln. Das ist jedoch erst der Anfang. Diese Fahrzeuge sollen ja auch schwerer werden – 60 Tonnen. Dann wären noch enorme Investitionen in die Brücken erforderlich. Und das alles auf Kosten der Steuerzahler."

    Spediteursgewerbe und vor allem natürlich auch die Hersteller der Gigaliner verweisen in der Diskussion vor allem auf wirtschaftliche Argumente, sie sehen aber auch Pluspunkte in der Ökobilanz innerhalb des LKW-Verkehrs. Karlheinz Schmidt vom Bundesverband Güterkraftverkehr:

    "Wir rechnen damit, dass mit diesen Fahrzeugen 15 bis 20 Prozent der Energie und damit auch der CO2-Emissionen vermeiden kann. Das spricht für diese Fahrzeuge. Es sind dies die einfachen Bündelungseffekte, die Entlastung der Infrastruktur. Dann aber kommen wir zum Thema Gewicht: Wenn die Fahrzeuge auch schwerer würden, bis zu 60 Tonnen schwer, dann halten dies unsere Brücken nicht aus. Und weil es die Brücken nicht aushalten, brauchen wir gar nicht über längere Fahrzeuge sprechen. Wenn wir nicht gleichzeitig über die Gewichte reden."

    Es gibt somit eine ganze Anzahl noch offener Fragen hinsichtlich der möglichen Nutzung von Lang-LKW auf deutschen Straßen. Ob der Feldversuch dann praxisorientierte Antworten finden wird, muss abgewartet werden. Immerhin soll der Feldversuch ausdrücklich als ergebnisoffen deklariert werden, so zumindest die Vorstellungen im Bundesverkehrsministerium.