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Google als Kulturbewahrer

Klaus Ceynowa von der Bayrischen Staatsbibliothek hält die Kritik an der Digitalisierung von Bibliotheksbeständen durch Google für undifferenziert. Ohne die Unterstützung durch Google sei eine solche Massendigitalisierung für öffentliche Einrichtungen finanziell nicht zu leisten.

Klaus Ceynowa im Gespräch mit Katja Lückert | 20.08.2009
    Katja Lückert: Zunächst sprechen wir über Google und über seine umstrittene Internetbibliothek, deren Gegner aber offenbar immer weniger werden, denn die französische Nationalbibliothek verhandelt bereits mit Google über eine Digitalisierung ihrer Bestände. Auch England und Spanien arbeiten schon seit Längerem mit Google zusammen, in Deutschland ist man weiterhin zurückhaltend. Kulturstaatsminister Bernd Neumann glaubt, es könne nicht angehen, dass der freie Zugang zum kulturellen Erbe monopolisiert und den Kapitalinteressen einer einzigen Firma unterworfen werde. Er wehrt sich besonders gegen das Scannen urheberrechtlich geschützter Werke. In Amerika hat sich Google mit den Autoren im sogenannten Google Settlement geeinigt. Am Telefon ist jetzt Klaus Ceynowa von der Bayrischen Staatsbibliothek. Herr Ceynowa, Sie haben als einzige Bibliothek in Deutschland auch einen Vertrag mit Google. Monopolisierung, Kapitalinteressen einer einzigen Firma, wie stehen Sie dazu?

    Klaus Ceynowa: Ich glaube, dass man hier zwei Dinge sehr klar auseinanderhalten sollte: zum einen die Digitalisierung urheberrechtsfreier Materialien und zum anderen die Digitalisierung von Büchern, die nach deutschem Urheberrecht in Copyright sind. Der Vertrag der Bayrischen Staatsbibliothek beschränkt sich halt ausschließlich auf die Digitalisierung urheberrechtsfreier Bände, und zwar beschränkt auf unsere Bestände vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Wir als Bayrische Staatsbibliothek haben ebenfalls eine digitale Kopie physisch in unseren Händen und können die frei in diversen Portalen, wie etwa jetzt Europeana oder der geplanten deutschen digitalen Bibliothek anbieten.

    Lückert: Frankreich galt ja lange als Bollwerk gegen die kommerzielle Digitalisierung von Büchern, warum gab es da Ihrer Ansicht nach einen Sinneswandel?

    Ceynowa: Nun, ich glaube, die ganz grundsätzliche Aufgabe jeder Bibliothek lässt sich ja schlicht dahingehend formulieren, Menschen und Informationen zusammenzubringen. Und im Zeitalter der Digitalisierung ist es zwingend notwendig, dass auch Bibliotheken ihre Angebote und Bestände über das Word Wide Web anbieten. Wenn wir als öffentlich-rechtliche Einrichtung selber digitalisieren, und wir tun das natürlich auch, gehen wir davon aus, dass die Digitalisierung eines Werkes zwischen 60 und 90 Euro halt kostet.

    Lückert: Und diese Kosten übernimmt ja jetzt Google.

    Ceynowa: Diese Kosten übernimmt jetzt Google, und genau das ist der Punkt. Es ist einfach für öffentliche Einrichtungen finanziell nicht leistbar, eine solche Massendigitalisierung selber zu leisten.

    Lückert: Auch die EU-Kommission unterstützt das Projekt. Bringt denn Deutschland sich ins Abseits, wenn man sich da weiter sträubt?

    Ceynowa: Ich denke, dass man also die Haltung Deutschlands auch sehr differenziert sehen sollte. Die ganze Diskussion ist jetzt ja neu angestoßen worden durch den sogenannten Heidelberger Appell, wo eine Reihe an Schriftstellern und Verlegern eine Aushöhlung des Urheberrechtes gerade auch durch die Digitalisierung durch Google wie auch die Open-Access-Bewegung fürchten. Es ist dort so vieles durcheinandergegangen in der Argumentation, dass es unglaublich schwer ist, so etwas im Nachhinein wieder aufzudröseln.

    Lückert: Es geht ja ein wenig die Angst um, dass der schreibenden Zunft es ähnlich gehen wird wie den Musikern, deren Geschäft mit den CDs ja auch deutlich zurückgegangen ist.

    Ceynowa: Ich glaube, dass auch diese Angst unbegründet ist, und zwar deshalb, weil zum einen das Google Book Settlement sich primär bezieht auf solche Werke, die noch dem Urheberrecht unterliegen, die aber gleichzeitig bereits vergriffen sind. Solche Werke sind zurzeit quasi in einer Art Gitterkäfig, sie werden nicht mehr verlegt, sind also allenfalls noch über die Bibliotheken zugänglich. Gleichzeitig können sie nicht frei im Internet durch Digitalisierung zugänglich halt gemacht werden, weil sie noch dem Urheberrecht unterliegen. Und für diese Werke ist es eigentlich für das Gros der Autoren - und es gibt auch viele Stimmen, die in genau diese Richtung gehen - und auch für sehr viele Verlage ein Segen, dass Google hier ein Geschäftsmodell entwickelt hat, wie solche Werke zugänglich werden für die Öffentlichkeit, aber auch in einer vielleicht durchaus, sagen wir mal, einer Form, wie wir sie alle aus dem Apple Store kennen, wieder kommerzialisiert werden. Bisher war es einfach so, dass weder die Verlage noch die Autoren selber für diese Werke ein vernünftiges Geschäftsmodell haben entwickeln können. Ich glaube, dass die Angst übertrieben ist und sehr in einer prinzipiellen Diskussion sich ergeht.