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Gratisnudeln für Bedürftige

Arbeitslosigkeit und steigende Lebensmittelpreise: Viele Slowaken spüren die Folgen der Wirtschaftskrise am eigenen Leib. Die Regierung in Bratislava will Bedürftigen jetzt mit Mehl und Teigwaren unterstützen. Das Vorhaben stößt bei Opposition und Medien auf Spott und Kritik.

Von Stefan Heinlein | 10.03.2011
    Nudeln gehören üblicherweise nicht auf den täglichen Speiseplan der meisten Slowaken. Wer jedoch arm ist, wird nun seine Essgewohnheiten ändern. Die Regierung in Bratislava öffnet die staatlichen Getreidespeicher. Mehl und Teigwaren werden gratis an Bedürftige verteilt – so will es Landwirtschaftsminister Scholt Schimon:

    "Wir lösen die Probleme der Armen. Das System ist ganz einfach. 45.000 Tonnen Getreide werden von uns zur Verfügung gestellt. Die Firmen bekommen die Lieferungen und verarbeiten sie dann zu fertigen Lebensmitteln. Diese werden anschließend von humanitären Hilfsorganisationen an bedürftige Familien verteilt."

    Rund 400.000 Slowaken – so haben es die Behörden ermittelt - sollen in den Genuss der Gratis-Nudeln kommen. Das wären rund 70 Kilo pro Empfänger und damit mehr als fünfmal soviel wie der bisherige Durchschnittsverbrauch. Nicht nur aus diesem Grund reagiert die Opposition auf die Regierungspläne mit einer Mischung aus Entsetzen und Hohn.

    "Früher nannte man uns die Tiger Europas – jetzt sollen Laster durch die Gegend fahren und es werden Mehlsäcke und Nudeln von der Ladefläche geworfen. Sind wir denn in Afrika oder irgendwo im Urwald - spöttelt Ex-Premierminister Robert Fico. Das ist keine Lösung, sondern zeigt nur wie unfähig die Regierung ist."

    Tatsache ist jedoch: In der Slowakei gibt es ein dramatisches Wohlstandsgefälle. Während die Wachstumsregion um die Hauptstadt Bratislava zu den wohlhabenden Ecken Europas gehört, leben viele Menschen im Osten des Landes von der Hand in den Mund. Viele Roma-Siedlungen erinnern Beobachter an Dörfer in der Dritten Welt. Auch die Arbeitslosigkeit ist im Verlauf der Wirtschaftskrise landesweit auf 13 Prozent angestiegen – im Osten liegt sie weit darüber. Anfang des Jahres wurde von der Regierung die Mehrwertsteuer erhöht, was zusätzlich die Preise nach oben treibt. Dennoch hält der Wirtschaftsanalytiker Radowan Djur-Ana die Aktion für den falschen Weg:

    "Die Situation ist nicht so dramatisch. Es müssen keine Hilfsorganisationen eingeschaltet werden. Es wäre viel effektiver die Sozialhilfe zu erhöhen. Dies würde den Menschen wirklich helfen. In der Vergangenheit haben wir leider oft die Erfahrung gemacht, dass solche großen Hilfsprojekte, wie jetzt von der Regierung geplant, oft scheitern, und das Geld irgendwo auf dem Weg verloren geht."

    Trotz der Kritik und dem wenig positiven Echo in den slowakischen Medien hält die Regierungskoalition an ihren Plänen fest. Die öffentliche Ausschreibung für die Verarbeitung der staatlichen Getreidereserven hat bereits begonnen – Anfang April Anfang sollen die Gratisnudeln verteilt werden.