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Grenzerfahrung für Geologen

Geologie. - Derzeit schwimmt die Joides Resolution vor der Küste von Costa Rica. Das Bohrschiff soll diesmal in tiefe Bereiche der Erdkruste vordringen, immerhin 2000 Meter tief in die Kruste soll es gehen. In den kommenden zehn Jahren will das Integrierte Meeresbohrprogramm IODP die Grenze zwischen Erdkruste und Erdmantel anbohren.

Von Dagmar Röhrlich | 05.05.2011
    Das Forschungsbohrschiff Joides Resolution arbeitet derzeit etwa 900 Kilometer vor der Küste von Costa Rica. Gebohrt wird in die sogenannte Cocosplatte, eine kleine ozeanischen Krustenplatte im Osten des Pazifiks:

    "Wir haben unser Zielgebiet ausgewählt, weil die Ozeankruste dort 15 Millionen Jahre alt ist und wir wissen, dass sie aus einer besonderen Zeit stammt: Damals war der mittelozeanische Rücken, an dem sie entstand, besonders aktiv. Er förderte so viel Magma, dass die Meereskruste um mehr als 20 Zentimeter pro Jahr wuchs. Diese Kruste ist sehr dünn und wenn wir dort bohren, stoßen wir in geringerer Tiefe auf untere Krustenbereiche als überall sonst."

    Benoit Ildefonse von der Universität Montpellier. Es geht darum, mit Hilfe von Bohrkernen aus zwei Kilometern Tiefe die Entstehung der Meereskruste besser zu verstehen. Ildefonse:

    "An den mittelozeanischen Rücken im Ostpazifik wird auch heute mehr Meereskruste produziert als anderswo. Im Bereich der Cocosplatte sind es immer noch zehn bis 16 Zentimeter pro Jahr. Dass die Plattentektonik dort so dynamisch ist, hängt mit der Dynamik des Erdmantels darunter zusammen."

    Und der Erdmantel ist das eigentliche Ziel der Geowissenschaftler. Mit dem Projekt Moho möchte man ihn erreichen. Catherine Mevel vom Europäischen Konsortium für das Meeresbohrprogramm in Paris:

    "Wir leben an der Erdoberfläche und die wird von Prozessen geformt, die tief im Erdinneren ablaufen: nämlich von der Plattentektonik, die die Kontinente über den Planeten schiebt. Mit Moho möchten wir unverfälschte Proben aus dem Erdmantel erhalten, die uns etwas darüber erzählen können, wie das Erdinnere funktioniert."

    Der Erdmantel wäre erstmals direkt zugänglich - und damit ein Bereich, der fast 70 Prozent des Erdkörpers ausmacht. Auch wenn Bohrungen in der Tiefsee technologisch sehr schwierig sind, ist die Grenze zwischen Erdkruste und Erdmantel nur dort zu erreichen: Während sie sich unter den Kontinenten unter mindestens 30 Kilometern Gestein verbirgt, liegt sie unter den Ozeanen in nur sechs Kilometern Tiefe. Den Bohrversuch wird nicht die Joides Resolution unternehmen, sondern die Chikyu, das derzeit modernste wissenschaftliche Bohrschiff. Dieser Koloss mit dem 121 Meter hohen Bohrturm kann noch in 4000 Metern Wassertiefe arbeiten. Kiyoshi Suyehiro, Präsident des Integrierten Meeresbohrprogramms IODP:

    "Die Chikyu kann zehn Kilometer tief in den Meeresboden bohren. Die Ingenieure halten es für möglich, die Grenze zwischen Erdkruste und Erdmantel zu erreichen, wir brauchen nur noch ein wenig technische Entwicklung."

    Man werde an die Grenzen des technisch Machbaren gehen, denn man bohre nicht in weiche Sedimente wie die Ölindustrie, sondern in Hartgestein wie Basalt. Die Machbarkeitsstudie läuft. Drei potentielle Bohrgebiete sind in der Diskussion: die Cocosplatte, eines zweites vor Mexiko - genauer: vor der Baja California - und ein drittes nordöstlich von Hawaii. Der Meeresboden im Zielgebiet sollte in möglichst geringer Wassertiefe liegen und die Erdkruste sollte möglichst kühl sein: Denn bei Tiefbohrungen auf dem Kontinent blieb der Bohrer immer stecken, weil das Gestein einfach zu heiß und damit zu weich geworden war. In die Grenze zwischen Erdkruste und Erdmantel zu bohren, ist ein wissenschaftliches Abenteuer.