Donnerstag, 18. April 2024

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Grimme-Preis
Böhmermann erhält Auszeichnung in Abwesenheit

Im westfälischen Marl sind die diesjährigen Grimme-Preise verliehen worden. Auch der wegen seiner Erdogan-Satire in der Kritik stehende ZDF-Moderator Jan Böhmermann wurde ausgezeichnet - allerdings in Abwesenheit. Die Direktorin des Grimme-Instituts, Frauke Gerlach, nahm den Satiriker in Schutz.

08.04.2016
    Der Schauspieler Max Mauff hält am 08.04.2016 in Marl (Nordrhein-Westfalen) vor der Verleihung der Grimmepreise eine Plakat mit der Aufschrift "Vermisst", das auf die Abwesenheit des Satirikers Jan Böhmermann hin weist.
    "Vermisst" wurde Jan Böhmermann von Schauspieler Max Mauff bei der Grimme-Preis-Verleihung - er hatte seine Teilnahme kurzfristig abgesagt. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    "Wir haben zu Recht ein Grundgesetz, das die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Kunstfreiheit schützt", sagte Frauke Gerlach am Freitagabend zu Beginn der Verleihung der Grimme-Fernsehpreise in Marl. Die Grenze für Satire sei weit. Sie sehe mit großer Sorge, "mit welcher Hitzigkeit die Debatte geführt wird", erklärte die Direktorin des Grimme-Instituts. "Ich würde mich freuen, wenn die ganze Debatte wieder versachlicht würde." Persönliche Anfeindungen könne man nicht tolerieren.
    Böhmermann erhielt den Spezialpreis in der Kategorie Unterhaltung für seine Satire um den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Gianis Varoufakis vom März vergangenen Jahres. Er hatte Verwirrung gestiftet, als er behauptete, ein umstrittenes Youtube-Video mit Varoufakis gefälscht zu haben. Erst am Tag darauf gab das ZDF bekannt, dass es sich um eine Satire gehandelt habe.
    Bei der Bekanntgabe der Grimme-Preisträger vor mehreren Wochen hatte es geheißen, Böhmermann gebühre das Verdienst einer großen Medienkritik. Er habe die Medienrepublik in Aufruhr versetzt und dafür gesorgt, dass es einen Moment des Innehaltens gegeben habe.
    Auch "Besondere Ehrung" geht an Böhmermann
    Zusätzlich bekam Böhmermann noch eine "Besondere Ehrung" des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (DVV), der Stifter des Grimme-Preises ist. Diese "Besondere Ehrung" wird jedes Jahr bei der Grimme-Preis-Gala verliehen.
    Die Entscheidung für diese Auszeichnung sei bereits im November vergangenen Jahres gefallen, sagte die Präsidentin des DVV, die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer. Das Gedicht über Erdogan ändere nichts an Böhmermanns Leistung als Medienmacher.
    "Ich fühle mich erschüttert"
    Nach massiver Kritik an seiner Erdogan-Satire hatte Böhmermann seine Teilnahme an der Verleihung kurzfristig abgesagt. Er bat "um Verständnis", dass man nicht in Marl feiern könne. Bei Facebook schrieb Böhmermann: "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe."
    Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn, weil er in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" in einem mit "Schmähkritik" überschriebenen Gedicht über Erdogan Begrifflichkeiten benutzt hatte, die teils unter die Gürtellinie zielen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte öffentlich, Böhmermanns Formulierungen seien bewusst verletztend gewesen.
    Vor der Verleihung hatte ein Schüler vor dem Theater Marl ein Plakat hochgehalten, auf dem ein Porträt Böhmermanns mit dem Wort "Vermisst" überschrieben war. Der Schauspieler Max Mauff, der am Abend für seine Darstellung im ZDF-Film "Patong Girl" einen Grimme-Preis erhielt, nahm das Schild und posierte damit vor den Kameras.
    Preise für vorbildhafte Fernsehsendungen und Beiträge
    In Marl wurden insgesamt 14 Preise in den Kategorien Fiktion, Unterhaltung, Information und Kultur sowie erstmals für Kinder- und Jugendproduktionen vergeben.
    In der Kategorie Information und Kultur erhielt die deutsch-arabischsprachige Sendereihe von N-TV "Marhaba - Ankommen in Deutschland" für Flüchtlinge einen Grimme-Preis. Weitere Auszeichnungen gingen an die Dokumentationen "Göttliche Lage" (WDR/Arte) über das neue Wohnquartier am Phoenixsee in Dortmund, "Die Folgen der Tat" (WDR/SWR/NDR) über die Familie der RAF-Terroristin Susanne Albrecht und "Vom Ordnen der Dinge" (ZDF/Arte).
    Der Beitrag "Tödliche Exporte" (SWR/BR) zum Thema illegaler Waffenhandel wurde als "Besondere Journalistische Leistung" geehrt. "Schorsch Aigner - der Mann, der Franz Beckenbauer war" (WDR) mit Olli Dittrich erhielt einen Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung.
    Der undotierte Grimme-Preis wurde in diesem Jahr zum 52. Mal vergeben. Er gilt als wichtigster deutscher Fernsehpreis. Die Auszeichnung würdigt Fernsehsendungen, die für die Programmpraxis vorbildlich und modellhaft sind. Seit 1978 ist das vom DVV gegründete Grimme-Institut für die Vergabe verantwortlich.
    (kis/cb)